Hartz-IV-Bezieherinnen und -Bezieher bekommen ab dem kommenden Jahr drei Euro mehr im Monat. Die entsprechende Kabinettsverordnung beschloss der Bundesrat am Freitag. Damit steigt der Regelsatz für alleinstehende Erwachsene ab 2022 um drei Euro auf 449 Euro pro Monat. Insgesamt erhalten Empfänger von Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe sowie Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung 0,76 Prozent mehr Geld.
Das Statistische Bundesamt liefert mit einem spezifischen Preisindex und der Entwicklung der Nettolöhne jährlich die Basis für die Berechnung der Regelbedarfe. Die zuletzt deutlich gestiegenen Verbraucherpreise – im September betrug das Preisplus im Vergleich zum Vorjahresmonat 4,1 Prozent – gingen allerdings noch nicht in die Berechnung der Sätze ein. Sie würden erst für 2023 berücksichtigt, sagte eine Sprecherin des Sozialministeriums. Die gesetzlich vorgeschriebene Methodik biete hier keinen Entscheidungsspielraum. Mit den jährlichen Anpassungen will die Regierung ein menschenwürdiges Existenzminimum sichern.
Der Regelsatz für Partnerinnen, Partner und Ehegatten steigt um 3 Euro auf 404 Euro. Für Kinder zwischen 14 und 17 Jahren gibt es künftig 376 Euro, ebenfalls 3 Euro mehr als bisher. Um jeweils 2 Euro steigt der Satz für 6- bis 13-Jährige und für 0- bis 5-Jährige (311 und 285 Euro). Für 18- bis 24-Jährige im Elternhaus und Volljährige in Einrichtungen steigt der Satz von 357 auf 360 Euro. Die Mehrkosten werden auf 190 Millionen Euro im kommenden Jahr taxiert.
Verbände: Erhöhung ist verfassungswidrig
Nach einem aktuellen Gutachten der Rechtswissenschaftlerin Professorin Anne Lenze sei die zum 1.1.2022 geplante sehr geringe Erhöhung der Regelsätze verfassungswidrig. Angesichts der Entwicklung der Lebenshaltungskosten verpflichte das Grundgesetz den Gesetzgeber, die absehbare Kaufkraftminderung für Grundsicherungsbeziehende abzuwenden. Mit einem Appell fordert ein breites Bündnis – darunter der Paritätische, der Sozialverband VdK, Diakonie Deutschland und die Tafel – die noch amtierende Bundesregierung auf, umgehend Maßnahmen zu ergreifen, um mindestens einen Inflationsausgleich für die Betroffenen sicherzustellen.
In dem Rechtsgutachten wird unter anderem auf die zurückliegenden einschlägigen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bezug genommen, das 2014 feststellte, dass die Regelbedarfe bereits an der untersten Grenze dessen liegen, was verfassungsrechtlich gefordert ist. Die niedrige Anpassung der Regelbedarfe zum 1.1.2022 in Verbindung mit der anziehenden Inflation läute nun eine „neue Stufe der Unterschreitung des menschenwürdigen Existenzminimums“ ein, so das Ergebnis der juristischen Prüfung, die der Paritätischen Wohlfahrtsverband in Auftrag gegeben hat. Sollte der Gesetzgeber nicht aktiv werden, um die absehbaren Kaufkraftverluste abzuwenden, verstoße er damit gegen die Verfassung, so das Fazit der Rechtswissenschaftlerin.
Realer Kaufkraftverlust wird eintreten
Der Paritätische hatte bereits im April davor gewarnt, dass durch den aktuellen Fortschreibungsmechanismus der Regelsätze für Grundsicherungsbezieher reale Kaufkraftverluste drohen könnten. Für Fachleute sei es seit Monaten absehbar gewesen, dass nach den geltenden Regeln 2022 eine Null-Runde drohe, während sich die Preise für die Lebenshaltung bereits aktuell spürbar verteuerten, betont Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands:
„Der Vorgang ist nicht nur für die betroffenen Menschen hart und folgenschwer – er unterläuft darüber hinaus grundsätzlich den sozialstaatlichen Grundauftrag, das menschenwürdige Existenzminimum sicherzustellen.”
Das Deutsche Kinderhilfswerk kritisierte die aus seiner Sicht geringe Erhöhung und forderte eine komplette Neuberechnung der Regelbedarfe. „Mit dieser kümmerlichen Regelsatzerhöhung für Kinder im Hartz-IV-Bezug kann die Kinderarmutsquote in Deutschland nicht gesenkt werden, da sie nicht mal die Inflationsrate kompensiert“, erklärte Bundesgeschäftsführer Holger Hofmann. „Sie entsprechen insgesamt nicht dem notwendigen soziokulturellen Existenzminimum und sollten auf ein Niveau angehoben werden, das echte gesellschaftliche Teilhabe möglich macht.“
(RP/dpa/PM)

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