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Heute mal nicht behindert

Was hat es mit dem Victory-Zeichen auf sich?

Herkunft, Verwendung und Fauxpas – die TU Chemnitz präsentiert ihre überraschenden Forschungsergebnisse in einer Ausstellung über Handzeichen.

Das Victory-Handzeichen.
(Foto: Shutterstock)

Jubeln, und zwar angemessen – das ist etwas, woran zuletzt nicht nur einige Fußballfans bei der Europameisterschaft gescheitert sind. Dabei soll die wohl bekannteste Handgeste für den Sieg – ähnlich wie die Ballsportart – aus Großbritannien stammen. Zumindest lautet so die Legende. Die Rede ist vom Victory-Zeichen. Es ist eng mit dem ehemaligen britischen Premierminister Winston Churchill verbunden. Laut verschiedenen Berichten ließ er das Zeichen erstmals in einer Radioansprache am 19. Juli 1941 propagieren. Das Datum ist ein Meilenstein auf dem Weg einer Geste zum Sinnbild für den Kampf gegen Nazi-Deutschland.

Erfunden hat Churchill die V-förmige Handgeste aus Zeige- und Mittelfinger aber nicht. „Sie wurde ursprünglich von dem belgischen Politiker Victor de Laveleye als einzelsprachübergreifendes, verbindendes visuelles Zeichen des Widerstands gegen die deutsche Besatzung in Umlauf gebracht“, sagt die Sprachwissenschaftlerin Ellen Fricke. Zusammen mit ihren Kollegen von der TU Chemnitz hat Fricke die Forschungsergebnisse rund um das Victory-Zeichen und andere Gesten in der Ausstellung „Gesten – gestern, heute, übermorgen“ gesammelt.

Machte das „V“ einem breiten Publikum bekannt: Der britische Premierminister Winston Churchill im Kriegsjahr 1943 vor Downing Street No. 10 in London.

Machte das „V“ einem breiten Publikum bekannt: Der britische Premierminister Winston Churchill im Kriegsjahr 1943 vor Downing Street No. 10 in London. (Foto: dpa)

Für den Belgier de Laveleye habe das V sowohl für das französische Wort „Victoire“, also Sieg, gestanden – sowie für das niederländische Wort „Vrijheid“, zu Deutsch Freiheit, erklärt Fricke. Durch Churchill sei die Geste dann weltweit bekannt geworden.

Von da aus trat das Victory-Zeichen (Victory auf Deutsch: Sieg) in den vergangenen 80 Jahren seinen Triumphzug an: Der viermalige Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel zeigt etwa das V nach einem erfolgreichen Qualifying. Kremlgegner Alexej Nawalny spreizt Zeige- und Mittelfinger im Gericht und U2-Sänger Bono macht die Geste, kurz bevor er am Élyséepalast den französischen Präsidenten Emmanuel Macron trifft.

Manchmal kann es auch schiefgehen

Das kam nicht gut an: Der damalige Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank AG, Josef Ackermann, scherzt vor Prozessbeginn des Mannesmann-Prozess im Landgericht und macht ein Victory-Zeichen.

Das kam nicht gut an: Der damalige Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank AG, Josef Ackermann, scherzt vor Prozessbeginn des Mannesmann-Prozess im Landgericht und macht ein Victory-Zeichen. (Foto: Oliver Berg/dpa/Pool/dpa)

Bei einigen führt das V aber zum Missverständnis. Etwa bei dem ehemaligen Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Josef Ackermann. Er zeigt das Zeichen vor Beginn des Mannesmann-Prozesses – und sorgt damit für Ärger. Manche werfen ihm vor, er verhöhne das Gericht. Er will aber nur Popstar Michael Jackson nachgeahmt haben, der 2004 ebenfalls vor Gericht steht. Dennoch entschuldigt sich Ackermann wenige Tage später: „Das war so nicht beabsichtigt.“

Die Victory-Geste ist vor allem eine Frage der Haltung – genauer gesagt der Handhaltung. Bei dem korrekt ausgeführten V zeigt die Handfläche nach vorn und der Handrücken zum Handbesitzer. Aber Achtung! Verwechslungsgefahr! „Zeigt jedoch die Handfläche zum Körper hin, ändert sich die Bedeutung der Geste von Sieg und Zuversicht zu einer Beleidigung, wie in England“, schreibt Frickes Kollegin Jana Bressem in einer Veröffentlichung zur Chemnitzer Gesten-Ausstellung.

Selbst Churchill passiert der Fauxpas mehrmals. Er zeigt die beleidigende Form der Geste. Damit ist er nicht alleine: „Auch andere Politiker wie beispielsweise der deutsche Politiker Christian Wulff nach einer gewonnenen Wahl haben die Victory-Geste mit der Handfläche nach innen aufgeführt“, sagt Sprachwissenschaftlerin Fricke. Warum sich der CDU-Mann 2003 nach der niedersächsischen Landtagswahl für die missverständliche Geste entschied, lässt er auf dpa-Anfrage offen.

Das „V“ als Beleidigung

Im Sinne der Beleidigung tauche das V schon in Schriften im 16. Jahrhundert auf, schreibt Bressem. Woher die Geste aber genau stamme, sei bis heute nicht abschließend geklärt. Einer möglichen Erklärung zufolge sollen die Franzosen den englischen Bogenschützen in der Schlacht von Azincourt im Jahr 1415 gedroht haben, ihnen Zeige- und Mittelfinger abzuschneiden, sollten diese in Gefangenschaft geraten. Die Schlacht gewannen die Engländer.

Für diese Theorie fehlen aber laut Mittelalterexpertin Anne Curry die Beweise. In einem Buch zu der Schlacht schreibt sie, dass es keine Aufzeichnungen gebe, wonach Bogenschützen die Finger während der Kämpfe abgeschnitten worden seien, so die emeritierte Hochschulprofessorin an der Universität Southampton.

„Ich würde mich an solchen etymologischen Spekulationen auch nur ungern beteiligen“, sagt Fricke. Klar erkennbar sei dagegen bei der Victory-Geste die Anspielung auf den Buchstaben V. Der Bekanntheit dieses Zeichens scheint der nicht völlig geklärte Ursprung zumindest kein Abbruch zu tun.

(RP/dpa)

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