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Warum Paralympics-Sieger Hans-Peter Durst auf Tokio verzichtet

Der Radsportler und zweifache Goldmedaillen-Gewinner nennt drei bemerkenswerte Gründe. Ein Abschied vom Sport bedeutet dies jedoch nicht.

Hans-Peter Durst mit seiner Goldmedaille im Radrennen bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio.
Hans-Peter Durst mit seiner Goldmedaille im Radrennen bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio. (Foto: Jens Büttner/dpa)

Der zweifache Paralympics-Sieger Hans-Peter Durst hat seine schon vor einigen Monaten getroffene Entscheidung bekräftigt, nicht an den Spielen im August in Tokio teilzunehmen. Er will damit unter anderem ein Zeichen der Soidarität mit dem japanischen Volk setzen. Nach dem heutigen Ende der Olympischen Spiele gehen die Wettbewerbe am 24. August weiter – mit den Paralympics, die bis zum 5. September andauern. Der 62 Jahre alte Radsportler nennt drei Gründe für seine Absage:

1. Gesundheitliche Bedenken

„Ein Großteil der Menschen in Japan lebt seit Monaten unter Notstandsverordnungen, nachhaltig steigenden Infektionszahlen, überfüllten Intensivstationen und mit über die Grenzen belasteten Kliniken. Trotz dieser mehr als angespannten Lage verlangen das Internationale Olympische Komitee (IOC) und das Organisationskomitee (OK) mehr als 10.000 medizinische Mitarbeiter. Dazu wertvolle Ressourcen wie medizinische Geräte und Einrichtungen. Die eingehende Petition (Sagen Sie die Olympischen Spiele und die Paralympics ab, um unser Leben zu schützen) wurde in wenigen Tagen von nahezu 500.000 Menschen unterzeichnet. (…)

Hinzu kommt, dass bisher lediglich zwei Prozent der japanischen Bevölkerung gegen das Coronavirus geimpft sind. Japans Premierminister Yoshihide Suga erklärte, dass er zu keinem Zeitpunkt die Sommerspiele an erster Stelle gehabt hätte. Priorität sei immer, die Gesundheit und das Leben der japanischen Bevölkerung zu schützen. Die Friedenssymbolik vor den Spielen – der historische Fackellauf – fällt zu großen Teilen aus, aus Angst und Verantwortung in den jeweiligen Städten.“

2. Respekt

„Mehrere seriöse Umfragen in Japan kamen zum Ergebnis, dass die große Mehrheit (rund 80 Prozent) der Bevölkerung große Sportfreunde sind, aber aus Angst vor weiteren Folgen (…) für eine Absage der Olympischen Spiele und der Paralympics sind. Die oben erwähnte Petition  ist ebenfalls unmissverständlich für die Absage der Spiele, es ist aktuell nicht die Zeit für solch ein Großereignis in Japan. Der deutsche und europäische Ethikrat rät aus diesen und anderen Gründen zu einer Absage. (…) Ich möchte den Willen der japanischen Bevölkerung respektieren.“

3. Solidarität

„Viele meiner Freunde, guten Bekannten, auch internationale Partner und Förderer kämpfen in dieser Pandemie zunehmend mit ihren oft seit Generationen aufgebauten Existenzen. Milliarden von Steuergeldern in Form von Auffangschirmen werden aufgebracht – da ist mir nicht nach fröhlichen Spielen ohne meine Familie, ohne meine Freunde, ohne die mich immer begleitenden Partner und Förderer – die gebuchten Flüge, Hotels und Besichtigungen sind bereits komplett storniert. (…)“

Kein Rücktritt vom Sport

Aus diesen Gründen hätte sich Durst offenbar eine komplette Absage der Spiele gewünscht.

„Ich weiß, dass viele Top-Athleten Bauchgrummeln haben, und es wäre sicherlich hilfreich gewesen, wenn uns diese Entscheidung von anderer Stelle abgenommen worden wäre“,

sagte der Dortmunder den „Ruhr Nachrichten“: „Mehr Transparenz und Ehrlichkeit in der Sportpolitik hätten sicher sehr geholfen. So habe ich jetzt für mich persönlich entschieden. Ich möchte damit niemandem einen Rat geben und verstehe jeden, der sich darauf freut.“ Ein grundsätzlicher Rücktritt vom Sport sei das nicht.

Durst lag nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall 1994 mehrere Monate im Koma. Er verlor seinen Gleichgewichtssinn, hat ein eingeschränktes Sehfeld auf beiden Augen, ein vermindertes Reaktionsvermögen und eine chronische Stoffwechselerkrankung. Bei den Spielen 2016 in Rio holte er Gold im Straßenrennen und im Zeitfahren. Zudem ist er neunmaliger Weltmeister.

(RP mit Materialien von dpa)

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