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Ukrainische Flüchtlinge mit Hörbehinderung: Bundesregierung schiebt Verantwortung auf ehrenamtliche Helfer

Eine schriftliche Anfrage des Bundestagsabgeordneten Hubert Hüppe an die Ampel-Koalition fällt knapp und desinteressiert aus. Er fordert deshalb, die Belange der gehörlosen Ukrainer in Deutschland endlich wahrzunehmen.

Hubert Hüppe
Hubert Hüppe ist Berichterstatters im Gesundheitsausschuss für die Belange von Menschen mit Behinderung. (Foto: René Golz)

Bereits seit fast einem halben Jahr tobt der Krieg in der Ukraine. Laut UN haben schätzungsweise rund 5.000.000 Menschen das Land verlassen, um ihr Leben zu retten. Obwohl die Hauptziele der Geflüchteten hauptsächlich die Nachbarstaaten Polen, Moldau, Rumänien und die Slowakei waren, verzeichnete das Statistische Bundesamt alleine bis Ende April 2022 über 600.000 ukrainische Staatsbürger, die in die Bundesrepublik reisten.

Anzahl der Gehörlosen nicht bekannt

Ob sich Menschen mit Hörbehinderung darunter befinden ist zwar wahrscheinlich, deren Anzahl aber unklar. Dies brachte eine schriftliche Anfrage des Berichterstatters im Gesundheitsausschuss für die Belange von Menschen mit Behinderung, Hubert Hüppe (CDU), an die Bundesregierung zu Tage.

Konkret wollte Hüppe wissen, wieviele dieser Menschen eine Hörbehinderung haben und welche Hilfsprogramme oder -angebote die Bundesregierung zur Verfügung stellt. Die Antwort fällt knappt aus:

„Der Bundesregierung liegen keine konreten Informationen darüber vor, wie viele aus der Ukraine Geflüchtete eine Hörbehinderung haben. Im Ausländerzentralregister (AZR) werden derartige Informationen nicht erfasst.“

Desweiteren wurden keine speziellen Hilfsprogramme für diese Personengruppe eingerichtet worden und auf generelle Hilfsangebote verwiesen.

Behindertenvereine sollen es richten

Es ist ernüchternd, dass die Bundesregierung untätig bleibt und keine Vorkehrungen trifft, um den besonderen Bedürfnissen von ukrainischen Geflüchteten mit Hörbehinderungen entgegenzukommen, so Hüppe. Aufgrund ihrer Beeinträchtigung hätten Menschen mit Hörbehinderungen besondere Schwierigkeiten, an die notwendige Unterstützung heranzukommen. Jedoch würden ihre Bedarfe offensichtlich von der Bundesregierung nicht wahrgenommen, kritisiert der Bundestagsabgeordnete.

„Auf die Frage nach konkreten Hilfsprogrammen, die auf die Bedarfe dieser besonders vulnerablen Gruppe von ukrainischen Geflüchteten gerichtet sind, nennt die Bundesregierung nicht eine Maßnahme. Stattdessen verweist sie auf die ehrenamtlichen Helfer des Deutschen Gehörlosen-Bundes und andere Gehörlosenorganisationen.“, so Hüppe. Doch weder der Deutsche Gehörlosen-Bund noch der Deutsche Schwerhörigenbund seien personell und finanziell in der Lage, die notwendigen Hilfen trotz aller Bemühungen zu leisten.

Kritik kommt auch vom Gehörlosen-Bund

Der Gehörlosen-Bund kritisiert, dass Gruppen gehörloser Ukrainer gegen ihren Willen getrennt würden, obwohl sie durch ihre ukrainische Gebärdensprache dringend aufeinander angewiesen sind. Da in Deutschland kaum jemand die ukrainische Gebärdensprache übersetzen könne, sei die gesundheitliche Versorgung nicht gegeben. Auch die Arbeitsintegration und die Wohnungssuche seien erheblich erschwert.

Eine Anfrage bei der in der Auskunft der Bundesregierung nicht erwähnte und speziell für aus der Ukraine geflüchtete Menschen mit Behinderungen geschaffene Bundeskontaktstelle war ebenfalls nicht hilfreich. Diese konnte auf telefonische Anfrage im Vorfeld auch keine konkreten Hilfsmaßnahmen für Geflüchtete mit Hörbehinderungen nennen und teilte mit, dass ihr Aufgabengebiet vor allem auf Geflüchteten mit Behinderungen mit pflegerischem Bedarf läge. Zudem verwies sie auf Hilfsangebote der Hilfsorganisation „Handicap International“.

Hüppe: „Die Bundesregierung muss dringend tätig werden und die Selbsthilfeverbände umfassend unterstützen, damit den ukrainischen Geflüchteten mit Hörbehinderungen der Zugang zur notwendigen Unterstützung nicht aufgrund ihrer Behinderung verwehrt wird.“

(RP/PM)

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