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Multiple Sklerose und Szenen des Alters: „Ein großes Versprechen“ kommt ins Kino

Das Drama mit Dagmar Manzel und Rolf Lassgård könnte zu den interessantesten deutschen Produktionen in diesem Jahr gehören. Es behandelt eine schwere Frage: Wann ist es Zeit, einen geliebten Menschen in eine Pflegeeinrichtung zu geben? Von Julia Kilian

Erik und Judith tanzen im Garten
Die Zukunftspläne von Rolf Lassgard (r.) als Erik und Dagmar Manzel als Judith werden wegen einer MS-Diagnose in „Ein großes Versprechen“ durcheinandergewirbelt. (Foto: Nikolai von Graevenitz/Tamtam Film/dpa)

Für viele Menschen stellt sich irgendwann die Frage, wie sie mit dem Älterwerden umgehen. Wie reagiert man, wenn sich der Radius verkleinert? Wenn der eigene Zustand zerbrechlich wird? Der Film „Ein großes Versprechen“ (Kinostart: 9. Juni 2022) erzählt davon auf sehr berührende Weise. Für Juditha (Dagmar Manzel) und Erik (Rolf Lassgård) soll eigentlich eine besonders schöne Phase beginnen. Als er in Rente geht, hofft sie auf mehr gemeinsame Zeit.

Auseinanderdriftende Lebenswelten

„In vier Wochen bist du offiziell ein alter Mann“, sagt sie. Die beiden liegen im Bett und berühren einander. „Hey“, entgegnet er, „ein Rentner ist doch nicht automatisch ein alter Mann.“ Doch, sagt sie, das könne man jetzt nicht mehr so voneinander trennen. Dabei zeigt sich bald, dass es Juditha sein wird, deren Zustand sich verschlechtert. Sie lebt mit Multipler Sklerose (MS).

Regisseurin Wendla Nölle hat bisher Dokumentarfilme gedreht und legt nun ihren ersten langen Spielfilm vor, der gleichermaßen schonungslos wie berührend ist. In anderthalb Stunden erzählt sie die Geschichte zweier Menschen, deren Lebenswelt plötzlich auseinander driftet. Während Erik im Alter noch über ein Studium und neue Projekte nachdenkt, kann Juditha kaum noch aufstehen.

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Dabei ist es den beiden Hauptdarstellern zu verdanken, dass der Film ungemein körperlich wirkt. Die Berliner Schauspielerin Dagmar Manzel tritt sonst etwa an der Komischen Oper auf. Im Film nun spielt sie eine Frau, die lernen muss, sich im Weniger einzurichten. Etwa wenn sie den Briefkasten nur noch mit einer Greifhilfe erreicht. Oder wenn sie gegen ihren Willen eine Pflegerin bekommt.

Wenn sie darauf angewiesen ist, die gelieferten Blumen von ihrem Mann einpflanzen zu lassen. Oder so dringend zur Toilette muss, es aber nicht mehr schafft. Dabei ist der Film nie simpel. Die Konstellationen, die er zeigt, sind verzwickt und menschlich, humorvoll und verzweifelt. Die beiden verlernen, miteinander zu sprechen. Werden bissig. Verkapseln sich.

Veränderung kippt die Beziehung

Regisseurin Nölle sagte kürzlich in einem Interview bei radioeins, ihre Mutter habe selbst MS gehabt. In den Emotionen, die der Film beschreibe, sei sie aufgewachsen. Eine befreundete Drehbuchautorin habe dann diesen fantastischen Liebesfilm geschrieben. Die beiden hätten unterschiedliche Erwartungen ans Zusammenleben nach seiner Rente und es schwer, das miteinander zu besprechen.

Das Darstellerduo Manzel (63) und Lassgård (67) zeigt ein Paar, dessen Beziehung nach und nach kippt. Das erst verliebt im Garten tanzt und schließlich vor einem Scherbenhaufen steht. Sowas passiert. Der Film wurde in Hamburg und Umgebung gedreht und könnte zu den interessantesten deutschen Produktionen in diesem Jahr gehören. Er erzählt, wie verletzlich das Selbst ist, wenn sich die Dinge ändern.

Irgendwann entscheidet Erik, dass es so nicht weitergeht. Auf dem Telefonbuch hat er eine Notiz hinterlassen: „Bitte such dir eine Pflegekraft selbst aus. Eine die du magst.“ Sie reißt eine Seite aus dem Telefonbuch und faltet daraus einen Origami-Kranich.

(RP/dpa)

Lesen Sie dazu auch: „Ein großes Versprechen“: Ärgerlich, rückwärtsgewandt, verpasste Chance! Dem Multiple-Sklerose-Drama wurde das „Prädikat besonders wertvoll“ verliehen. Völlig zu Unrecht – kritisiert die Behindertenaktivistin Dr. Siegrid Arnade.

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