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Kunerts Perspektiven

Social Web: Bitte nutzt die Bildbeschreibung!

Sehbehinderte Menschen stoßen auf Twitter, Facebook und Instagram immer wieder auf Barrieren. Doch Fotos und Videos können für Blinde zugänglich gemacht werden. Von ROLLINGPLANET-Kolumnist Heiko Kunert.

ROLLINGPLANET-Kolumnist Heiko Kunert sitzt vor einem PC und arbeitet.
ROLLINGPLANET-Kolumnist Heiko Kunert. (Foto: privat)
Unsere Kolumnisten schreiben unabhängig von ROLLINGPLANET. Ihre Meinung kann, muss aber nicht die der Redaktion sein.

Soziale Medien wie Twitter, Facebook und Instagram erfahren viel Kritik. Stichworte sind Hate Speech, Fake News und fehlender Datenschutz. Dennoch gehören die Dienste zum Alltag. Gerade für uns Menschen mit Behinderung können sie sogar gleichbedeutend sein mit Inklusion und Teilhabe.

Ich bewege mich als blinder Mensch seit knapp 15 Jahren im Social Web. Hierbei habe ich häufig die Erfahrung gemacht, dass es leicht ist, mit Menschen ohne Behinderung ins Gespräch zu kommen. Plakativ gesagt: Wir bewegen uns auf Augenhöhe, weil wir dieselbe Plattform nutzen, für uns hierdurch die gleichen Kommunikationsregeln und technischen Voraussetzungen gelten. Ein Teil der Unsicherheiten und Vorurteile, die den Einstieg bei persönlichen Begegnungen erschweren, fielen auf Twitter und Co. weg.

Ich möchte die vielen Kontakte, die so entstanden sind, nicht mehr missen. Für mich sind die sozialen Medien mehr Segen als Fluch. Neben den Einblicken in unterschiedliche Alltagswelten, schätze ich auch den schnellen Zugang zu Informationen und den schrägen Humor manch eines Posts.

„Die meisten Bilder haben keinen Alternativtext“

Aber selbstverständlich gibt es auch im Social Web Barrieren. So verfügen die meisten Bilder nicht über einen Alternativtext. Was heißt das? Ich surfe mit Hilfe einer Screenreader-Software. Diese wandelt den Bildschirminhalt am Computer oder Smartphone so um, dass er von einer künstlichen Sprachausgabe vorgelesen werden kann. Gleichzeitig kann ich ihn auch über eine Braillezeile lesen. Eine Braillezeile wiederum ist ein Gerät, das den Bildschirminhalt zeilenweise in Blindenschrift ausgibt. Mit dieser Hilfstechnik kann ich also prinzipiell alles lesen, was auch die sehenden Nutzerinnen und Nutzer lesen können.

„Auch Fotos und Videos können für Blinde zugänglich gemacht werden!“

Die Sozialen Medien bestehen heute aber nicht nur aus Text, sondern zu großen Teilen aus Foto- und Videoinhalten. Was viele sehende Menschen nicht wissen, auch diese können zugänglich gemacht werden.
Alle drei eingangs genannten Plattformen – also Twitter, Facebook und Instagram – bieten die Möglichkeit, Fotos zu beschreiben. Beim Posten von Bildern haben die Nutzerinnen und Nutzer die Möglichkeit, einen Alternativtext beziehungsweise eine Bildbeschreibung einzugeben. Diese wird dann von den Screenreadern erkannt und von Sprachausgabe und Braillezeile ausgegeben. Ich erfahre so, was auf dem Foto zu sehen ist. Für sehende Menschen bleibt dieser Alternativtext dagegen unsichtbar.

Vielen sehenden Menschen sind diese Barrierefreiheitsfunktionen nicht bekannt. Andere scheuen die Mühen. Dabei ist der Aufwand – mit etwas Übung – gar nicht so groß. Ich habe inzwischen von mehreren Sehenden gehört, dass ihnen das Verfassen der Alternativtexte sogar hilft, sich bewusster zu machen, was die Fotos eigentlich transportieren und was sie im Kern ausmacht.

„Jeder Alternativtext ist besser als keiner!“

Zunächst sollten sich die Verfasserinnen und Verfasser fragen: Was ist das Wichtigste auf dem Foto im konkreten Zusammenhang meines Posts? Denn ein Alternativtext sollte so umfassend wie nötig, aber so knapp wie möglich ausfallen. Was das konkret bedeutet, hängt eben sehr vom Kontext ab. Beziehe ich mich zum Beispiel im zugehörigen Text auf den Gesichtsausdruck, den die fotografierte Person macht, so muss ich diesen im Alternativtext beschreiben. Beziehe ich mich aber auf die Kleidung der Person, so muss diese im Mittelpunkt des Alternativtextes stehen.

So oder so, jeder Alternativtext ist besser als kein Alternativtext. Denn bisher ist es noch viel zu häufig so, dass meine Sprachausgabe einfach nur „Bild“ sagt, weil es keine Beschreibung gibt. Und so grenzen mich viele Beiträge auf Twitter aus. Auf Facebook und Instagram gibt es zwar eine automatisierte Bilderkennung durch künstliche Intelligenz. Diese ist aber längst nicht so präzise wie eine durch Menschenhand verfasste Bildbeschreibung, zumal sie den jeweiligen Kontext des Fotos nicht erkennen kann.

„Bitte nutzt die Bildbeschreibung!“

Mein Appell zum Schluss an alle sehenden Leserinnen und Leser, die bisher die Funktion der Bildbeschreibung nicht nutzen: Fangt einfach mal an! Nicht jeder Text muss gleich perfekt sein. Holt gern Feedback von blinden Menschen ein! Auch wenn es am Anfang etwas mehr Aufwand für euch bedeutet, so macht ihr doch mit jedem Alternativtext die Social-Media-Welt etwas barrierefreier. Und ganz nebenbei kommt ihr so vielleicht mit blinden und sehbehinderten Menschen ins Gespräch, die ihr sonst nie getroffen hättet. Von Inklusion profitieren so am Ende alle Menschen – ob mit oder ohne Behinderung.

Weiterführende Links zum Thema Bildbeschreibungen: Twitter, Facebook und Instagram.

Heiko Kunert (45) ist Geschäftsführer des Hamburger Blinden- und Sehbehindertenvereins. Er ist seit seinem sieben Lebensjahr blind, engagiert sich für eine inklusive und barrierefreie Gesellschaft und scheibt auf heikos.blog über Blindheit und das Leben.

Alle Kolumnen von Heiko Kunert auf ROLLINGPLANET
Heiko Kunert ist Mitbegründer der Initiative
#BarrierefreiPosten.

Veröffentlicht auf

ROLLINGPLANET ist seit 2012 Deutschlands Onlinemagazin für Menschen mit Behinderung und alle anderen. ROLLINGPLANET ist ein Non-Profit-Projekt, realisiert vom Verein Menschen, Medien und Inklusion e.V., München. Mehr über unser Team erfahren Sie hier.

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