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Reise & Urlaub

Sachverständige: „Reisen für alle“ ist ausbaufähig

Das freiwillige Zertifizierungssystem soll Menschen mit Behinderungen Informationen über touristische Angebote bereitstellen. Nur relativ wenige Anbieter machen mit. Doch selbst wenn Urlaubsziele barrierefrei sind, gibt es ein großes Problem.

Beliebtes Reiseziel in Deutschland: die Sächsische Schweiz. Als Sächsische Schweiz wird der deutsche Teil des Elbsandsteingebirges in Sachsen bezeichnet. Die durch bizarre Felsformen geprägte Landschaft liegt südöstlich von Dresden.

In Deutschland gibt es laut Evaluation des Zertifizierungssystems „Reisen für Alle“ durch die dwif consulting GmbH im Jahr 2018 rund 65.000 für den Tourismus relevante Institutionen, Organisationen und Betriebe. Mit Stand vom 31. August 2023 sind davon bislang lediglich 2.798 touristische Betriebe beziehungsweise Angebote unter dem System „Reisen für Alle“ zertifiziert. Dies berichtet der parlamentarische Dienst „Heute im Bundestag“.

Das freiwillige Zertifizierungssystem soll Menschen mit Behinderungen Informationen über touristische Angebote bereitstellen. Die acht gemeinschaftlich vom Tourismusausschuss geladenen Sachverständigen waren sich einig, dass das Zertifizierungssystem ein guter Anfang ist, zu mehr Barrierefreiheit im deutschen Tourismus zu kommen, aber das es weiterer Unterstützung und in einer besseren Verbreitung in der Fläche bedarf.

Von einer effizienten Art, das Siegel „Reisen für alle“ in der Fläche bekannter zu machen, sprach unter anderem Rolf Schrader, Vorstand und Geschäftsführer des Deutschen Seminars für Tourismus Berlin. „Es braucht viel mehr sogenannte Kümmerer auf der kommunalen Ebene, die die Partner vor Ort ansprechen, aufklären und bei der Zertifizierung begleiten.“ Bislang sei das Engagement in Sachen barrierefreies Reisen durch unterschiedliche Voraussetzungen in den Ländern ungleich verteilt.

Dass eine Gewinnung von Partnern, die sich als barrierefreie Destinationen zertifizieren lassen wollen, überhaupt nur über die „Kümmerer“ funktioniere, glaubt Tino Richter, Geschäftsführer des Tourismusverbands Sächsische Schweiz. „Wir würden in dieser Hinsicht gerne noch mehr tun.“

In Bezug darauf forderte Norbert Kunz aus der Geschäftsführung des Deutschen Tourismusverbands eine „Finanzierungsstruktur von Bund und Ländern, die dauerhaft ist und sicher.“ Der Anspruch eines bundesweiten Labels sei genau richtig, doch dessen Funktionieren dürfe man nicht dem freien Markt überlassen. Wenn man sich rund 3.000 bisher zertifizierten Betriebe anschaue, werde deutlich, dass man es bislang versäumt habe, öffentliche touristische Betriebe zu erreichen.

Logo „Reisen für alle“

Ziel barrierefrei, aber nicht der Weg dorthin

Eine Koordinierungsstelle des Bundes, die alle Verbände auf kommunaler Ebene zusammenbringt, wünscht sich Peggy Fauß von der Thüringer Tourismus GmbH. Es habe ja bereits ein Vorleben durch das Deutsche Seminar für Touristik gegeben, beispielsweise was Hosting und Datenbanken angehe. Dennoch gebe es bei der Koordinierung noch Bedarf, so Fauß.

Menschen mit Behinderung, die einmal positive Buchungserfahrungen durch das System „Reisen für alle“ gemacht haben, würden auch immer wieder darauf zurückgreifen, berichtet Jonas Fischer, Referent für Barrierefreiheit beim Sozialverband VdK Deutschland. Ein Problem sei allerdings weiterhin, dass zwar Destinationen umfassend zertifiziert seien, aber der Weg dorthin oft weiterhin nicht barrierefrei sei, beispielsweise bei Reisen mit der Bahn.

Diesen Punkt sprach auch André Nowak, Sprecher der AG Tourismus des Deutschen Behindertenrates, an. „Die gesamte Reise muss barrierefrei sein“, so Nowak. Und das beginne eben schon damit, dass man gezielt herausfinden können muss, welche Verbindungen vom Abfahrtsort bis zur Zieldestination komplett barrierefrei erreichbar seien. „Es braucht dafür alle Informationen an einem Ort“, sagte der Sachverständige. Dies sei aber nicht gegeben.

Markus Luthe, Hauptgeschäftsführer des Hotelverbands Deutschland, kritisierte, dass die Online-Buchungsplattformen die Information über barrierefreie Unterkünfte nicht weitergeben. „Die Plattformen müssen eingebunden werden, damit die Nachfrage bei den Hoteliers, die sich zertifizieren lassen, auch ankommt. Sonst wird das Siegel für sie uninteressant“, so Luthe in der Anhörung.

Imke Wemken, Geschäftsführerin Ostfriesland Tourismus GmbH, berichtete, dass sich das Engagement vor Ort auszahle. Es sei jedoch wichtig, dass die ganze Kette der Reiseplanung für Menschen mit Behinderung funktioniere: „Es gibt keine zweite Chance, wenn der Gast angereist ist und dann etwas vor Ort nicht funktioniert, alles muss stimmig sein“, sagte Wemken.

(hib/EMU)

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