Die Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) im August 2021, den heftig umstrittenen Bluttest auf Trisomien (13, 18 und 21) in die Mutterschaftsrichtlinien aufzunehmen und damit künftig von den Krankenkassen bezahlen zu lassen, „ist auch deshalb so gefährlich, weil es ein Dammbruch ist für viele weitere vorgeburtliche Untersuchungen, die längst in der Pipeline sind“. So lautet die Einschätzung Corinna Rüffer, Berichterstatterin für Behindertenpolitik der Bundestagfraktion Bündnis 90/Die Grünen, anlässlich des Welt-Down-Syndrom-Tags am 21. März. Er ist seit 2012 von den Vereinten Nationen anerkannt und soll die Forderung nach mehr Teilhabe von Menschen mit Down-Syndrom anmahnen.
Laut Rüffer ist es dringend nötig, die Auseinandersetzung über diesen und weitere pränatale Tests wegzulenken „von der Scheindebatte, ob solche Tests für alle finanziell zugänglich sein sollten. Hier geht es nicht um eine soziale Frage und es geht auch nicht primär um das Selbstbestimmungsrecht Schwangerer. Die eigentlichen Fragen, um die es hier geht sind: In welcher Gesellschaft wollen wir leben? Welches Signal sendet die Kassenzulassung in diesem Fall an Menschen mit dem Down-Syndrom, die mit dem Trisomie-Test ,vermieden‘ werden sollen? Wollen wir uns bei den Zulassungsverfahren von selektiven pränatalen Bluttests weiter vom Markt und Unternehmensinteressen treiben lassen?“
Rüffer kündigte an, dass im Bundestag wieder eine interfraktionelle Gruppe zu diesem Thema eingerichtet wird, um weiter mit Nachdruck darauf hinzuwirken, dass das Parlament dieses Thema und die damit verbundenen ethisch-gesellschaftlichen Fragen „endlich angemessen bearbeitet und eine entsprechende gesetzliche Regelung findet.“
„Die Menschen leiden nicht am Down-Syndrom, wie oft formuliert wird“
Mit Blick auf den Welt-Down-Syndrom-Tag hat sich auch der ehemalige Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Hubert Hüppe (CDU) geäußert: „Menschen mit Down-Syndrom müssen in allen Lebensbereichen mitten in der Gesellschaft teilhaben können, ob in Kindertagesstätten, Schulen, der beruflichen Bildung, Arbeit, beim Wohnen oder in der Freizeit. Das ist allerdings bis heute immer noch die absolute Ausnahme!“
Es gelte, weiter daran zu arbeiten, bestehende Strukturen aufzubrechen und inklusive Wege zu eröffnen. Hier seien alle gefordert, Einrichtungs- und Kostenträger, Erziehungs- und Lehrpersonal, Schulleitungen und -träger, Unternehmen und Arbeitnehmervertreter, Kirchen sowie Verantwortliche in Bund, Ländern und Kommunen. Hüppe:
„Es geht auch darum, Bewusstsein für die Situation von Menschen mit Down-Syndrom zu schaffen. Die Menschen leiden nicht am Down-Syndrom, wie oft formuliert wird. Sie leiden allenfalls an oft immer noch bestehenden Vorbehalten in der Gesellschaft. Diese Vorbehalte aufzulösen wird nur gelingen, wenn eine gemeinsame Lebenswelt von Menschen mit und ohne Behinderungen selbstverständlich ist. Inklusion kann man nicht lehren, sondern nur erfahren.“
Die Vorbehalte gehen „teilweise so weit, dass Menschen mit Down-Syndrom das Lebensrecht abgesprochen wird.“ Die sogenannten nicht-invasiven molekulargenetischen Pränataltests – ein Verfahren, das aus dem mütterlichen Blut die verschiedene Trisomien und Geschlechtschromosomen feststellen kann – „sind im hohen Maße diskriminierend! Sie dienen weder medizinischen noch therapeutischen Zwecken, sondern einzig und allein der Selektion von Menschen mit Down-Syndrom. Dass dies jetzt sogar Bestandteil der gesetzlichen Kassenleistung werden soll, ist alarmierend. Der Druck auf schwangere Frauen, dieses Verfahren anzuwenden, wird damit noch verstärkt. Inzwischen haben viele Menschen mit Down-Syndrom gegen diese Pränataltests protestiert. Allerdings wurden sie bei der Beratung zur Zulassung nicht beteiligt.“
Im Blut der Mutter „schwimmen“ während der Schwangerschaft Fragmente der kindlichen DNA. Mit den Testverfahren der Trisomie Tests werden diese DNA-Bruchstücke gesucht und sequenziert. Damit ist es möglich, mit einer einfachen Blutprobe der Mutter zu bestimmen, ob das ungeborene Kind in Hinsicht auf Trisomie 21 gesund ist oder nicht. Auch andere Chromosomenerkrankungen wie Trisomie 18 und Trisomie 13 sowie weitere Chromosomenstörungen können auf diese Weise nachgewiesen werden.
(RP/PM)

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