Der Vorfall geschah bereits am 30. September, zur Mittagszeit, im US-Bundesstaat Ohio. Beamte des Dayton Police Departments überwachten ein Haus, in dem sie Drogenhandel vermuteten. Dabei wurden sie auf ein Fahrzeug mit verdunkelten Scheiben, das das Grundstück verließ, aufmerksam. In Dayton, der Partnerschaftsstadt von Augsburg, leben 138.000 Menschen. Das jährliche Pro-Kopf-Einkommen der Stadt beträgt umgerechnet 13.400 Euro, 23 Prozent der Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze.
Das zeigen die Aufnahmen
Die drei Polizeibeamten halten um 12.27 Uhr den weißen Audi von Owensby auf der Straße vor dem Haus auf. Der Fahrer verhält sich zunächst kooperativ und händigt den Ordnungshütern die Ausweisdokumente aus, die anschließend überprüft werden. Dabei entdecken die Beamten auch ein 3-jähriges Kind unangeschnallt auf dem Rücksitz.
Das Ergebnis der Identitätsfeststellung: Owensby ist in der Vergangenheit mehrfach mit diversen Drogen- und Waffendelikten in Erscheinung getreten. Dies veranlasst die beiden Polizisten, einen sogenannten „free-air sniff“-Test durchführen zu wollen. Damit soll festgestellt werden, ob illegale Drogen im Fahrzeug konsumiert wurden. Für diese Prüfung ist es zur Sicherheit der Beamten nötig, dass alle Personen das Fahrzeug verlassen. Der Motor von Owenbys Wagen ist zu dieser Zeit wieder gestartet.

Owensby weigert sich auszusteigen und kontaktiert per Smartphone Bekannte, die die Polizeimaßnahme mit Kameras dokumentieren sollen. (Foto: Dayton Police Department)
Der Officer bietet Owensby an, ihm beim Verlassen des Wagens zu helfen. Dieser lehnt ab und betont, das er nicht aussteigen könne, da er Paraplegiker sei. Den Einwand eines Polizisten, „er sei ja ins Auto eingestiegen, dann könne er auch wieder aussteigen“, lässt der Afro-Amerikaner nicht gelten.
Als die Beamten ihn vor die Wahl stellen, entweder selbst das Fahrzeug zu verlassen oder ihn herauszuziehen, entgegnet Owensby erneut „Ich bin Paraplegiker“ und fordert die Polizisten auf, einen Vorgesetzten an den Ort des Geschehens zu bringen. Mit seinem Smartphone ruft Owensby vermutlich einen Freund an, der „zusammen mit Leuten und Kameras“ an den Ort des Geschehens kommen soll.

An den Haaren aus dem Auto gezerrt: Die Bodycam-Aufnahmen der Polizeibeamten zeigen den Vorfall. (Foto: Dayton Police Department)
Zuerst ergreift der Beamte den Arm von Owensby, der sich am Lenkrad festklammert.
„Ich bin Paraplegiker, Sie dürfen mir nicht wehtun“,
schreit Owesby noch, bevor er mit Hilfe von zwei weiteren Beamten aus dem Wagen gezerrt wird. Am Boden angelangt, wehrt sich Owensby weiterhin heftig und wird mit Handschellen fixiert, er fordert die Umstehenden auf: „Ruft die echte Polizei!“. Die Beamten schleifen ihn zum Polizeifahrzeug, wobei der Verdächtige seine Hose fast verliert (siehe großes Foto oben). Nach einer Untersuchung im Krankenhaus wird Owensby wieder freigelassen.
Bei der Untersuchung des Fahrzeugs finden die Ermittler im Anschluss eine Tasche mit 22.450 US-Dollar, die den Angaben der Behörde zufolge mutmaßlich mit illegalen Drogengeschäften in Verbindung steht. Laut Aussage Owensbys handele es sich dabei um „Ersparnisse“.
Meinungen sind geteilt
Der Bürgermeister von Dayton, Nan Whaley, zeigte sich besorgt über die Aufnahmen. Dies sei auch der Grund, weshalb die Behörden die Videoaufnahmen des Vorfalls veröffentlichten. Laut Washington Post hat die NAACP (National Association for the Advancement of Colored People) ebenfalls Ermittlungen zu den Umständen aufgenommen.
Ganz anderer Meinung ist Jerome Dix, Präsident der lokalen Polizeigewerkschaft, der gegenüber dem öffentlichen Rundfunk NPR das Vorgehen der Beamten verteidigt. „Die Beamten befolgten das Gesetz, ihre Ausbildunginhalte, die Polizeirichtlinien und Handlungsabläufe.“ Dix weiter: „Manchmal ist die Festnahme von unkooperativen Personen nicht schön anzusehen, aber nötiger Bestandteil der Vollstreckung von Gesetzen, um die öffentliche Sicherheit aufrechtzuerhalten, was den Grundpfeiler unserer Gesellschaft darstellt.“
Bereits am 1. Oktober wurde eine interne Untersuchung des Vorfalls gestartet und Owensby zu dem Vorfall befragt. Das Dayton Police Department will die Ergebnisse veröffentlichen, sobald die Ermittlungen abgeschlossen sind.
Amerikas gefährliche Polizei
Die Öffentlichkeit betrachtet den Vorfall auch vor dem Hintergrund der besonderen Gefahr, der Afro-Amerikaner in den USA bei Polizeikontrollen ausgesetzt sind. Mehrere Vorfälle dieser Art führten zur internationalen Bewegung „Black Lives Matter“ (deutsch: „Schwarze Leben zählen“), die sich gegen Gewalt an People of Color einsetzt. Die Liste der Opfer ist lang, zu ihr zählen unter anderem George Floyd, Tamir Rice, Eric Harris, Walter Scott, Jonathan Ferrell, Sandra Bland, Breonna Taylor, Samuel DuBose und Freddie Gray.
Im kollektiven Gedächtnis geblieben ist die Tötung von George Floyd am 25. Mai 2020 in Minneapolis im US-Bundesstaat Minnesota: Der weiße Polizeibeamte Derek Chauvin erstickte den am Boden liegenden 46-jährigen Afro-Amerikaner George Perry Floyd, indem er neun Minuten und 29 Sekunden lang mit vollem Körpergewicht auf dessen Hals kniete. Trotz zahlreicher Bitten Floyds und umstehender Zeugen drückte Chauvin ihm die Atemluft bis zum Tod weiter ab. In diesem Fall hatten zunächst einige Polizisten den Einsatz mit Verweis auf die kriminelle Vorgeschichte des Verdächtigen gerechtfertigt.
(RP)

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