Erst hüpfte Teenager Linn Kazmaier ausgelassen mit beiden Skiern über die Ziellinie, 51 Minuten später schrie Anna-Lena Forster ihre Freude über den Sieg heraus: Der vorletzte Paralympics-Tag wurde noch einmal zu einem Gold-Fest für die deutschen Athleten. Während Platz eins für Monoskifahrerin Forster in ihrer Top-Disziplin Slalom erwartbar war, krönte die 15-jährige Kazmaier im Langlauf mit ihrer fünften Medaille und dem ersten Gold ihre fantastischen Leistungen in China. „Es fühlt sich total krass an. Und ziemlich unwirklich auch“, jubelte Kazmaier.
Auf das zweite „Küken“ Leonie Walter wartet noch ein weiteres Highlight: Die 18-Jährige und Guide Pirmin Strecker werden gemeinsam die Fahne auf der Abschlussfeier in Peking tragen. „Sie ist gerade mal 18 Jahre alt und glänzt hier mit solch herausragenden Leistungen“, sagte Deutschlands Chef de Mission Karl Quade und meinte damit vor allem Walters Goldcoup im Biathlon am Dienstag.
„Allerhöchste Achtung für so viel Rennintelligenz“
Am Samstag verdoppelten Kazmaier und Forster innerhalb von knapp einer Stunde die Gold-Ausbeute von zwei auf vier. Einmal mehr überzeugte die zweitjüngste aller Paralympics-Athleten aus Römerstein. Mit einem Vorsprung von knapp 40 Sekunden distanzierte die Sehbehinderte gemeinsam mit Guide Florian Baumann die chancenlose Konkurrenz. Bundestrainer Ralf Rombach zollte nach dem Sieg bei schwierigen Bedingungen „allerhöchste Achtung für so viel
Rennintelligenz.“
Kazmaier trat in der Loipe von Zhangjiakou nicht wie eine 15 Jahre alte Schülerin auf, sondern „diszipliniert“ und „akribisch“, befand auch Guide Baumann. Selbst vier anstrengende Rennen verkraftete sie bei ihrer Paralympics-Premiere scheinbar problemlos. „Ich weiß auch nicht, aber irgendwie kann sich mein Körper gut erholen“, erklärte sie. Für die Seele gab es während einer ARD-Schalte noch telefonische Glückwünsche der Eltern sowie des Bruders. In der offenen Staffel am Abschlusssonntag könnte sie möglicherweise ihr sechstes Edelmetall gewinnen.
Linn Kazmaier hätte trotz ihres außerordentlichen Erfolgs bei den Winter-Paralympics Verständnis für ein bei Olympia diskutiertes Hochsetzen der Altersgrenze. „Es hat mich hier nicht überfordert“, sagte die zweitjüngste Athletin der gesamten Spiele, nachdem sie über die Langlauf-Mittelstrecke Gold und damit ihre fünfte Medaille in Peking gewonnen hat.
„Aber es war schon ziemlich verrückt, was alles auf mich zukam, gerade nach der ersten Medaille“, sagte sie: „Tage, an denen man eine Medaille gewinnt, sind schon stressig. Deswegen könnte ich schon verstehen, wenn das Alter hochgesetzt würde. Aber für mich wäre das natürlich doof gewesen.“
Bei den Olympischen Spielen hatte es um die ebenfalls 15 Jahre alte Eiskunstläuferin Kamila Walijewa Diskussionen um den Umgang mit Minderjährigen und Forderungen nach einem Mindestalter von 18 Jahren im Hochleistungssport gegeben. Nach einem tagelangen Wirbel um eine positive Dopingprobe durfte die Russin starten, führte nach dem Kurzprogramm, hielt dann aber dem massiven öffentlichen Druck nicht stand und verpasste als Vierte eine Medaille.
Forster freut sich, daheim runterzukommen
Für Ski-Ass Forster sind die Spiele in Peking derweil mit einem Gala-Auftritt auf der Piste von Yanqing zu Ende gegangen. In der sitzenden Klasse hatte die 26-Jährige einen Vorsprung von 2,32 Sekunden. Die große Favoritin hielt den Erwartungen stand – zu ihrer großen Erleichterung, wie der Jubelschrei nach der Zieldurchfahrt dokumentierte. „Ich habe mir den meisten Druck selbst gemacht“, betonte sie. „Ich bin happy darüber, es im Slalom noch mal geschafft
zu haben.“
Zweimal Gold, zweimal Silber ist ihre Ausbeute in China. „Mit dem Resultat kann ich sehr zufrieden sein“, erklärte die Athletin aus Radolfzell. Die Winter-Paralympics im italienischen Mailand und Cortina d’Ampezzo sind nun bereits im Blickfeld. „Es gibt Steigerungsmöglichkeiten“, sagte Forster schmunzelnd. Jetzt soll aber erstmal relaxt werden. „Wir hatten eine heftige Saison mit der Weltmeisterschaft und den Paralympics“, erklärte sie. „Ich freue mich, daheim runterzukommen und zu entspannen.“
Einen Freudenschrei ließ auch Anna-Maria Rieder heraus. Im Slalom der stehenden Klasse kam die 22-Jährige bei ihren zweiten Paralympics überraschend auf Rang drei. „Es war ziemlich geil“, sagte Rieder, die zuvor in drei Rennen knapp am Podest vorbeifuhr.
(RP/dpa)

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