Die Tragikomödie „Coda“ hat den Oscar als bester Film gewonnen. Das US-Remake der französischen Komödie „Verstehen Sie die Béliers?“ handelt von der 17-jährigen Ruby, die als einzige in einer Fischerfamilie hören kann. Eines Tages wird sie vor die Wahl gestellt, ob sie ihre eigenen Träume als Sängerin verwirklicht oder die Erwartungen ihrer Familie erfüllt. „Coda“ steht für „Child of Deaf Adults“.
Der Film der Regisseurin Siân Heder gewann insgesamt drei Auszeichnungen, wie die US-Filmakademie in der Nacht zum Montag bekanntgab. Erstmals hat damit ein Film eines Streamingdienstes den Oscar in dieser Kategorie geholt – der Film läuft beim Anbieter Apple TV+. Siân Heder bezeichnete den „Coda“-Sieg als „historischen Moment“ für gehörlose Menschen und die cineastische Independent-Szene.
Der gehörlose Schauspieler Troy Kotsur, der in „Coda“ den Familienvater spielt, wurde als bester Nebendarsteller ausgezeichnet. Seine bewegende Dankesrede hielt er in Gebärdensprache. Dabei bedankte er sich besonders bei seinem Vater, von dem er die Gebärdensprache und vieles mehr gelernt habe. Die dritte Oscar-Trophäe ging an Siân Heder für das beste adaptierte Drehbuch.
Emilia Jones, hörende Hauptdarstellerin, hat für ihre Rolle als Ruby hart trainiert, wie sie erzählte. „Ich habe an einem Freitag herausgefunden, dass ich die Rolle spiele, und habe am Montag mit dem Unterricht angefangen“, sagte Jones im Gespräch mit Steven Gätjen von ProSieben. „Ich habe direkt angefangen, neun Monate Unterricht zu nehmen. Ich habe wirklich hart gearbeitet.“
Die gehörlosen Familienmitglieder im Film werden von gehörlosen Schauspielern gespielt: Marlee Matlin, Troy Kotsur und Daniel Durant. „Ich habe buchstäblich gelebt und geatmet in einer Gemeinschaft von Leuten, die es besser als ich konnten“, beschrieb Jones, wie sie die Gebärdensprache lernte.
Kinobetreiber bedauern fehlenden Kinostart von „Coda“
Einer der deutschen Kinoverbände hat zwiegespalten auf die Entscheidung reagiert, den Oscar an den Film eines Streaminganbieters zu vergeben. „Wir gratulieren Apple zum Oscar-Gewinn von ,Coda‘“, teilte Christian Bräuer von der AG Kino – Gilde am Montag mit. „Gleichzeitig finden wir es sehr bedauernswert, dass Apple lediglich in den USA einen Kinostart des Films mitsamt großer Kampagne ermöglicht hat, gerade da wir in der Vergangenheit zu anderen Filmen wie ,Macbeth‘ und ,The Velvet Underground‘ gut und partnerschaftlich zusammengearbeitet haben.“
„,Coda‘“ ist ein sehr schöner Film über Zusammenhalt und Gemeinschaft“, teilte Bräuer mit. „Um so wichtiger wäre es, wenn dieser Film auch hierzulande in Kinosälen gemeinschaftlich erlebt werden könnte.“
Bei der Verleihung habe sich leider erneut gezeigt, dass es bei den Oscars immer weniger um die Kunst gehe, schrieb Bräuer. Das habe mit der Zulassung von Streamern begonnen und setze sich mit der Herabstufung einzelner Gewerke wie Filmmusik, Szenenbild oder Make-Up fort. „Jahrzehntelang mögen die Oscars ein Leuchtturm für die Kunstform gewesen sein, für ihre Zukunft spielen sie aber eine immer geringere Rolle“, so Bräuer, dessen Verband deutsche Programmkinos vertritt.
Die weiteren Auszeichnungen
Die meisten Auszeichnungen gingen an das Sciene-Fiction-Epos „Dune“. Ausgezeichnet wurde der Film unter anderem für die beste Filmmusik und die besten visuellen Effekte. Für Komponist Hans Zimmer und den Effektexperten Gerd Nefzer – zwei Filmschaffende, die aus Deutschland kommen – ist es jeweils der zweite Oscar.
Schauspielerin Jessica Chastain gewann den Oscar als beste Hauptdarstellerin für „The Eyes Of Tammy Faye“. Schauspieler Will Smith gewann für „King Richard“ den Oscar als bester Hauptdarsteller. Unter Tränen sagte er unter anderem, er wolle ein Botschafter der Liebe sein.
Der Western „The Power of the Dog“ von Jane Campion, der mit zwölf Nominierungen als Favorit ins Rennen gegangen war, gewann letztlich nur eine Auszeichnung für die beste Regie. Prämiert wurden auch der „James Bond“-Titelsong von Billie Eilish und der Animationsfilm „Encanto“. Der Oscar für den besten ausländischen Film ging an „Drive My Car“ des japanischen Regisseurs Ryusuke Hamaguchi.
Ariana DeBose gewann den Oscar als beste Nebendarstellerin für ihre Rolle im Musical „West Side Story“. Sie sagte zum Publikum: „Sie sehen hier eine offen queere, nicht-weiße Frau, eine Afro-Latina, die ihre Kraft und ihr Leben durch die Kunst gefunden hat.“
Will Smith sorgt für irritierenden Moment
Moderiert wurde der Abend von den Schauspielerinnen Amy Schumer, Regina Hall und Wanda Sykes. Schauspieler Will Smith sorgte mitten in der Verleihung für einen irritierenden Moment, als er auf die Bühne lief und seinem Kollegen Chris Rock eine Ohrfeige gab. Danach kehrte er auf seinen Platz zurück und rief zweimal laut in Rocks Richtung: „Lass den Namen meiner Frau aus Deinem verdammten Mund!“
Zuvor hatte sich Komiker Rock an Smiths Frau Jada Pinkett Smith gewandt und gewitzelt: „G.I. Jane 2 – ich kann es nicht abwarten, das zu sehen“ – eine Anspielung auf den Film „G.I. Jane“, in dem sich Demi Moore als Soldatin den Kopf rasierte. Jada Pinkett Smith hatte in der Vergangenheit offen über ihren Haarausfall gesprochen. Zunächst lachte Will Smith während der Verleihung, dann stand er wutentbrannt von seinem Platz auf.
Während der Sendung wurde auch zu einem Schweigemoment aufgerufen: „Wir bitten Sie, die Ukraine auf jede erdenkliche Weise zu unterstützen.“ Einige Gäste trugen blaue Bänder mit der Aufschrift „WithRefugees“. Vorab hatte Schauspieler Sean Penn zu einem Boykott der Gala aufgerufen, falls sie ohne den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj stattfinden sollte. Er selbst würde seine beiden Oscar-Statuen aus Protest „einschmelzen“, sagte Penn. Selenskyj wurde im Dolby Theatre nicht zugeschaltet.
(RP/dpa)

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