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Gesellschaft & Politik

Organisation des Schulwegs: Diskriminiert Offenbach Eltern von Kindern mit geistiger Behinderung?

Ein Fall von mutmaßlicher Steuerverschwendung und Benachteiligung von Familien mit Migrationshintergrund erregt die Gemüter der Stadt. Nun hat die Initiative IGEL-OF e.V. die Behörden eingeschaltet.

Kind auf dem Schulweg
(Symbolfoto: Shutterstock)

Die Art der Schulbeförderung zählt zu den Aufgaben der kommunalen öffentlichen Schulträger. So heißt es in § 161, Abs. 2 HschG (Hessisches Schulgesetz), dass eine Beförderung unabhängig von der Entfernung notwendig ist, „wenn der Schulweg eine besondere Gefahr für die Sicherheit und die Gesundheit der Schülerinnen und Schüler bedeutet oder eine Schülerin oder ein Schüler ihn aufgrund einer Behinderung nicht ohne Benutzung öffentlicher oder privater Verkehrsmittel zurücklegen kann“.

Nicht so in Offenbach: Die Eltern von Kindern mit geistiger Behinderung kämpfen hier darum, dass der Schulträger – also die Stadt Offenbach – seiner Pflicht nachkommt, die Schülerbeförderung ihrer Kinder in die Förderschule für geistige Entwicklung zu organisieren. Thomas Löhr, der Leiter des Stadtschulamtes, verweist nach Aussage der Inititiative Gemeinsam Lernen für Stadt und Kreis Offenbach (IGEL-OF e.V.) unter anderem am 9. November auf die Leistungen der Eingliede­rungshilfe, die der Stadt ein Vielfaches an zusätzlichen Kosten beschert:

„Das Stadtschulamt hat die Eltern in dem Bescheid darauf hingewiesen, sich mit dem Sozialamt, Sachgebiet Eingliederungshilfe in Verbindung zu setzen, um dort die Anträge auf eine Teilhabeas­sistenz für den Unterricht zu stellen. Dies gilt ebenfalls für den Schulweg, weshalb folgende Empfeh­lung ausgesprochen wurde: ‚Sollten Sie aus familiären Gründen nicht in der Lage sein, Ihren Sohn auf dem Schulweg zu begleiten, sollten Sie im Sozialamt Sachgebiet Eingliederungshilfe ebenfalls einen Antrag auf eine individuelle Schulwegbegleitung stellen.‘“

Stadt belastet Steuerzahler zusätzlich

Die betroffenen Eltern sind aber für den Schulweg nicht zuständig, so die Auffassung von IGEL-OF. So müssten sie auch eigentlich keine Anträge für eine Teilhabeassistenz für den Un­terricht stellen, da die Förderschule über einen sogenannten „Assistenz-Pool“ verfügt. Dieser sichert den Unter­richt und die Betreuung in der Schule ab.

Die Teilhabeassistenz, die nun zusätzlich zum Assistenzpool für die betroffenen Schüler einge­setzt werden muss, koste ein Vielfaches im Vergleich zum Busplatz, so die Initiative. Denn eine Person nur für die Zeit der Begleitung des Schulwegs gäbe es nicht. Die Stadt Offenbach generiere hier also zusätzliche Kosten für den vollen Schulalltag einer Assistenzkraft pro Schüler.

IGEL-OF habe sich deshalb an das Regierungspräsidium Darmstadt gewandt, damit dieses prüft, warum die Stadt Offenbach den Steuerzahler grundlos zusätzlich belasten will, und bittet das Regierungspräsidium zudem sicherzustellen, dass die Stadt Offenbach ihren gesetz­lichen Verpflichtungen den Kindern mit Behinderungen gegenüber nachkommt und eine Lösung für die Organisation des Schulwegs für diese findet.

Nur rund die Hälfte der Kinder erhielt Zusage

Nach Angabe von IGEL-OF haben von 138 Schülern der Fröbelschule nur 80 Schüler die Zusage zur Schülerbeför­derung erhalten. Die restlichen Eltern würden von Löhr aufgefordert, ihr Kind selbst zu bringen und zu holen. Der Versuch des Leiters des Stadtschulamtes, die Eltern von Kindern mit Behinderungen zu Aufgaben zu verpflichten, die Eltern ohne Behinderungen nicht haben, sei diskriminierend. Denn für Kinder ohne Behinderungen ist der Schulweg sicher und sie können und sollen diesen eigenständig bewältigen.

Pikant: Angeblich handele es sich nach Aussage von IGEL-OF bei den betroffenen Familien ausnahmslos um Familien mit Migra­tionshintergrund, die wenig oder gar nicht Deutsch sprechen und sich daher nur schwer gegen die Nichterfüllung der Pflicht seitens des Schulträgers wehren könnten. Der Verein habe daher auch die Antidiskriminierungsstelle des Landes Hessen eingeschaltet.

(RP/PM)

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