Nikolai Sommer war Zweiter in der Weltrangliste in seinem Alter, er war im Kader der Nationalmannschaft, und eine internationale Karriere schien so gut wie sicher. Doch dann das Unglück: Mit 16 Jahren stürzte Sommer (Spitzname: „Kugelblitz“) im Training am Kaunertaler Gletscher in Tirol. Seitdem ist der ehemalige Nachwuchsskifahrer aus dem oberbayerischen Kirchanschöring querschnittgelähmt.
Bereits ein Jahr nach seinem Unfall kehrte er an den Ort des Geschehens zurück und stellte sich erneut der gleichen Bodenwelle, die ihn zu Fall gebracht hatte – diesmal auf dem Monoski. Heute ist er damit erneut auf dem Weg zur Weltspitze.
Im November wurde der 21-Jährige in München mit dem Bayerischen Sportpreis geehrt. Im ROLLINGPLANET-Interview berichtet Nikolai Sommer, warum und wie er sich derzeit sportlich neu erfindet, weshalb nach dem Unfall Freundschaften zerbrochen sind und wie wichtig ihm die Familie ist.
„Ich war schon von klein auf sehr ehrgeizig“
Sie wurden soeben mit dem Bayerischen Sportpreis in der Kategorie „Jetzt erst recht“ geehrt. Ganz herzliche Glückwünsche! Mit diesem Preis werden herausragende sportliche Leistungen gewürdigt, Sportler, die Vorbildcharakter haben. Und er soll ein Ansporn sein, in schweren Zeiten zu motivieren. Sie waren bis zu Ihrem Unfall 2017 erfolgreicher Skirennläufer und in Ihrer Altersklasse Weltspitze. Inzwischen sind Sie ambitionierter Monoskiläufer und auf dem Weg zum Spitzensportler in dieser Kategorie. Was bedeutet Ihnen der Bayerische Sportpreis persönlich? Ist er tatsächlich ein zusätzlicher Antrieb, Ihre Leistungen weiterhin zu steigern?
Mir persönlich bedeutet die Auszeichnung wirklich wahnsinnig viel, weil sie mir gezeigt hat, dass das, was ich nach meinem Unfall geleistet habe bzw. wie schnell ich wieder zum Sport zurückgekommen bin, was Besonderes ist. Der Preis ist auf alle Fälle eine zusätzliche Motivation für mich – gerade in Momenten beim Training, wo ich an mir zweifle, und ich mir dann selber sage: ‚Jetzt hast Du den Preis erhalten, jetzt musst Du auch was dafür tun!‘
Sie waren ja generell schon immer ein sehr ehrgeiziger Typ. Angeblich hatten Sie sich bereits zum Ziel gesetzt, mit dem Monoski im März 2022 an den Winter-Paralympics in Peking teilzunehmen. Doch private Ereignisse haben Sie ausgebremst?
Ja, genau. Es kamen einige private Sachen zusammen, weshalb es mir psychisch nicht so gut ging. Deshalb habe ich auch zwischenzeitlich eine Auszeit vom Skifahren genommen.
Was ist passiert?
Mein Vater ist schwer krank geworden. Dadurch wurde mir noch mehr bewusst, dass die Familie für mich am meisten zählt, dagegen selbst die Leidenschaft für den Sport weniger wichtig ist.
Geht es Ihrem Vater hoffentlich besser?
Jein.
…und nun streben Sie die Paralympics 2026 an?
Ja, mein großes Ziel ist es, einmal in meinem Leben mindestens eine paralympische Goldmedaille zu holen. In den nächsten fünf Jahren strenge ich mich also an, dass es klappt.
Bewundernswert, wie zielstrebig Sie sind. Wie entwickelt man so eine Kämpfernatur? Kann man das auch lernen?
Ich glaube, es gehört eine gewisse Veranlagung dazu, aber auch ein sehr starker Wille. Ich muss sagen, dass ich in der Vergangenheit auch eine Phase hatte, wo ich mir keine konkreten Ziele gesetzt habe. Das hat sich erst mit der Zeit entwickelt. Dadurch, dass ich schon früh im Kader gezielt für Wettkämpfe trainiert habe, habe ich natürlich immer bessere Ergebnisse angestrebt – was sich dann meistens auch im Rennen widergespiegelt hat.

Nikolai Sommer bei der Verleihung des Bayerischen Sportpreises (Foto: Anke Sieker)
„Mir ist noch bewusster geworden, wie wichtig Familie ist“
Sicher eine Grundeigenschaft von Sportlerin, immer gewinnen zu wollen.
Ja, ich kann natürlich nur über meinen persönlichen Fall reden. Meine Eltern haben sich auch immer gefragt, woher ich das hab. Ich war schon von klein auf sehr ehrgeizig. Auch wenn ich mit meinen Eltern Monopoly gespielt habe, war ich total sauer, wenn ich verloren habe. Auch beim Sport wollte ich immer der Erste sein. Schon im Kindergarten haben meine Eltern gesagt: ‚Komm, jetzt lass die anderen auch mal gewinnen!‘ Ich habe es damals aber überhaupt nicht verstanden, warum ich die anderen Kinde gewinnen lassen soll.
Was machen Ihre Eltern beruflich?
Mein Papa ist Bauleiter, meine Mama arbeitet im Supermarkt.
Stimmt es, dass Sie Ihren Ehrgeiz auch ein bisschen von Ihrem Vater abgeschaut haben?
Ja, mein Vater war relativ sportlich. Er hat Fußball gespielt, sich das Skifahren selber beigebracht und war immer recht zielstrebig – wobei mein Ehrgeiz noch etwas ausgeprägter ist. Ich habe auch schon früh sämtliche Sportarten ausprobiert – von Fußball bis Golfen, natürlich Skifahren und Basketball.
Haben Sie Geschwister?
Nein, ich bin Einzelkind, wahrscheinlich auch ein Grund, weshalb ich nicht verstanden habe, warum ich andere gewinnen lassen soll.
Was ist das Wichtigste, was Ihnen Ihre Eltern mitgegeben haben?
Dass sie mir immer Rückhalt und ganz viel Liebe geschenkt haben und ich immer wusste, dass ich bei Problemen stets zu ihnen kommen kann. Meine Eltern haben mich nach meinem Unfall auch jeden Tag im Krankenhaus besucht, und mein Vater hat in sechs/sieben Wochen zu Hause alles Mögliche barrierefrei umgebaut. Meine Eltern haben mir auch immer gesagt, dass ich Potential habe, das zu machen, was andere nicht können. Sie haben mir auch stets vermittelt, wie wichtig es ist, sich selber treu zu bleiben und nicht unterkriegen zu lassen – egal, was passiert.
Nach meinem Unfall ist mir noch bewusster geworden, wie wichtig Familie ist. Durch meinen Wohnort nähe Berchtesgaden habe ich auch eine starke Naturverbundenheit entwickelt, konnte ich jeden Tag in der Früh schon auf die Berge blicken. Ich war früher zwar nicht so der Bergwanderer, das hat sich mit dem Alter aber verändert. Ich genieße die Natur sehr. Inzwischen wohne ich, aufgrund meines Studiums, in Innsbruck und habe anfangs befürchtet, dass mir das Stadtleben überhaupt nicht taugt, fand es auch befremdlich, dass man sich auf der Straße nicht grüßt. Aber wir sind in Innsbruck umringt von riesigen Bergen, das ist ja noch krasser als daheim. Und wenn sich die Berge, wie gerade, langsam mit Schnee bedecken, zieht’s mich auf die Piste und ich kann relativ schnell dort sein.
Was studieren Sie in Innsbruck?
Ich habe letztes Jahr mein Abitur gemacht und studiere aktuell Sportmanagement.
Welchen Beruf streben Sie an?
Grundsätzlich ist natürlich mein Traumberuf, mit meinem Sport Geld zu verdienen. Was mich aber auch wahnsinnig interessiert ist, Sport-Eventmanagement, z.B. bei einem Sportverband.
Wann haben Sie eigentlich mit Skirennen angefangen?
Meine Eltern können beide Ski fahren, aber nicht ansatzweise Skirennen. Ich stand bereits mit drei Jahren zum ersten Mal auf den Brettern, richtig angefangen habe ich aber erst zwei Jahre später und lieben gelernt.
Beim Bayerischen Sportpreis standen Sie neben Spitzensportlern wie Skispringer Karl Geiger, Skeleton-Star Tina Herrmann und auch Persönlichkeiten wie Oliver Kahn, Karl-Heinz-Rummenigge und Uli Hoeneß auf der Bühne. Pflegen Sie freundschaftliche Kontakte zu anderen Spitzen-Sportlern?
Tatsächlich bin ich seit meinem Unfall mit Felix Neureuther befreundet. In der Klinik in Murnau hat mich Felix, der ja nicht so weit entfernt wohnt, ein paar Mal besucht. So haben wir uns etwas näher kennengelernt. Danach hat er bei einem Golf-Charity-Turnier, was meine Eltern und ich ausgerichtet hatten, mitgespielt und uns unterstützt.
Veranstalten Sie öfter Charity-Turniere?
Nein, das war bisher eine einmalige Sache. Weil mir so viele Menschen geholfen haben, sich außerdem viele gute Kontakte entwickelt haben, hatte ich das Bedürfnis, etwas davon weiterzugeben.
„Entweder du bleibst liegen oder du schaust, dass du das Beste aus der Situation machst“
Kommen wir zu Ihrem Sturz, der Ihr komplettes Leben verändert hat. Vor Ihrem Unfall waren Sie, in Ihrer Altersklasse als 16-Jähriger, Weltspitze im Skirennlauf. Was genau ist im Mai 2017 passiert?
Es war ein ganz normaler Trainingstag mit sechs/sieben anderen Athleten und zwei Trainern am Kaunertaler Gletscher. Dort, im Funpark, gab es eine Wellenbahn, auf die wir mit einer gewissen Geschwindigkeit zufahren sollten, um das sogenannte „Wellenschlucken“ für künftige Abfahrtsrennen zu simulieren. Ich bin wohl zu schnell auf die Bodenwellen zugefahren, denn schon bei der ersten Welle hat es mich leicht aus der Bahn gehoben und nach hinten gelegt, und danach bin ich mit extremer Geschwindigkeit auf die zweite Welle zugefahren, wobei es mich in der Luft nach hinten geschlagen hat und ich mit dem Steißbein im rechten Winkel im Gegenhang gelandet bin. Dabei hat sich meine Wirbelsäule komplett verschoben. Als ich nach circa 30 Sekunden dann wieder zu mir kam, habe ich erst einen leichten Schmerz in der Wirbelsäule gespürt, meine Beine aber nicht mehr. Das Ganze lief wie ein Film ab. Daraufhin wurde ein Hubschrauber gerufen, und ich wurde hineingetragen.
Der Hubschrauberflug war, muss ich sagen, wahnsinnig cool, den habe ich sogar richtig genossen. Weil es schnell gehen musste, sind wir auch nur ganz knapp über den Gipfeln geflogen. Ich hab mich auch ganz normal mit dem Sanitäter unterhalten und durfte auch etwas höher liegen, um rausschauen zu können. Und als wir dann im Krankenhaus ankamen, ist dann direkt die große Hektik losgegangen. Ich wurde in verschiedenste Röhren hineingeschoben, und bereits kurze Zeit später berichtete mir der Arzt, dass ich künftig querschnittgelähmt und auf einen Rollstuhl angewiesen sein werde, und fragte mich, ob ich kurz mit meinen Eltern telefonieren wolle. Natürlich hat mich die Nachricht schockiert, aber ich habe es noch nicht so realisiert, weil alles so schnell ging. Beim Telefonat mit meinem Vater haben wir eigentlich nicht viel gesagt, außer, dass wir uns lieb haben und beide geweint. Daraufhin erfolgte eine viereinhalbstündige OP, bei der die Wirbelsäule wieder justiert und verschraubt wurde.
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Was ist Ihnen durch den Kopf gegangen, als sie kurz nach dem Sturz nicht mehr Ihre Beine gespürt haben?
Mir ist natürlich direkt durch den Kopf gegangen, ich könnte querschnittgelähmt sein, habe kurz Panik bekommen, hab mir aber dann gedacht: ‚Das hilft jetzt sowieso nichts, beruhig dich erstmal.‘
Wie so häufig, schon bei Michael Schumacher, sind es oft die kleinen, unachtsamen oder waghalsigen Momente, die zu tragischen Unfällen führen.
Mein erster Fehler war wahrscheinlich, dass ich einfach zu schnell den Hang runtergefahren bin, der zweite, dass ich mich zu weit nach hinten gelegt habe.
Sie sagten damals: ‚Ich darf nicht darüber nachdenken, was kann ich nicht – daran zerbrech ich. Ich habe immer gedacht: ‚Was kann ich! Das Einzige was ich bisher weiß, was ich nicht kann, ist Laufen und Fußballspielen.‘ Beeindruckend! Das heißt, Sie haben sich Ihren Optimismus bewahrt? Wie haben Sie neue Energie gewonnen?
Ich war erst in Innsbruck im Krankenhaus, bin dann, nach sechs Tagen, in eine Klinik nach Murnau verlegt worden, und natürlich ging’s mir grundsätzlich erstmal schlecht. Nach zwei Tagen in Murnau habe ich mir aber gedacht: ‚Du hast eigentlich nur zwei Möglichkeiten, Niko. Entweder du bleibst liegen, lässt dich gehen und verbringst die nächste Zeit nur noch auf der Couch vor dem Fernseher, wirst dick und verlierst deine Freunde, weil du nichts mehr machen kannst oder du schaust, dass du das Beste aus der Situation machst, weiter machst wie zuvor und auch wieder Sport treibst. Ich habe ja gewusst, dass eine Alternative Monoski oder Rollstuhlbasketball sein könnte.
„Beide Sportarten plus Studium funktionieren einfach nicht“
Wer oder was unterstützt Sie in Ihrem Optimismus?
Es hat sich, glaube ich, bei mir durch den Sport entwickelt, dass ich gelernt habe, mit Rückschlägen umzugehen, dass man den Ist-Zustand akzeptiert, aber schaut, was man besser machen kann. Sportler können vielleicht besser mit Niederlagen umgehen, weil für sie Verlieren zur Routine gehört und sie im Gegenzug ja auch mit Erfolgserlebnissen belohnt werden.
In Murnau kamen Sie dann erstmal zum Rollstuhlbasketball, richtig?
Ja, Basketball ist für Rollstuhlfahrer der Reha-Sport Nummer Eins. Und natürlich habe ich in Murnau auch mitgemacht. Die Anforderungen beim Monoski, was später hinzukam, sind allerdings deutlich höher als beim Basketball.
Inzwischen sind Sie auch beim Rollstuhlbasketball zum Spitzensportler herangereift, Ihnen wurde aber nahegelegt, sich für eine Sportart zu entscheiden, wenn Sie es an die Spitze schaffen wollen. Wie haben Sie sich entschieden?
Ich habe beim Basketball viele coole Leute kennengelernt und es hat mir wahnsinnig viel Spaß gemacht, deshalb werde ich auf alle Fälle weiterhin Basketball spielen – und mit meiner Mannschaft, beim RSV Salzburg, wenn es sich zeitlich ausgeht, nach wie vor bei Turnieren mitspielen. Aber reduzierter und nicht mehr so leistungsbezogen wie bisher. Ich habe es ein halbes Jahr probiert, fünf bis sechs Mal die Woche plus Spiel dabei zu sein, aber das war zu viel. Beide Sportarten plus Studium funktionieren einfach nicht, also habe ich mich für das Skifahren entschieden. Insofern ist es doch ein großer Sprung, wenn ich künftig nur noch ein bis zwei Mal die Woche Basketball trainiere.
Wie oft trainieren Sie jetzt mit dem Monoski?
Grundsätzlich schon fünf- bis sechsmal die Woche. Reines Schneetraining findet meist am Wochenende statt. Wir fahren auch schon mal eine ganze Woche am Stück zum Lehrgang, zwischendurch gibt’s dafür auch mal einen Tag Pause.
Was tun Sie zusätzlich für Ihre Kondition und Fitness?
Ich fange demnächst ein individuelles Training mit Ernährungs- und Fitnessplan an.
Wie schaffen Sie es dabei, nebenbei noch zu studieren?
Es ist natürlich anstrengend. Aber es funktioniert, weil es eine Mischform aus Präsenz- und Onlineunterricht gibt. Momentan finden von acht Kursen drei als Präsenzveranstaltung statt. Zu Vorlesungen kann ich teilweise auch persönlich kommen. Grundsätzlich wird alles aber auch online gestellt.
„Es haben sich schnell richtige und falsche Freunde herauskristallisiert“
Wie hat sich Ihr Leben nach dem Unfall verändert? Wie waren die Reaktionen Ihrer Umwelt, wie haben sich Freundschaften verändert?
Natürlich waren meine Familie und Freunde anfangs verunsichert, das hat sich aber schnell gelegt. Und es haben sich schnell richtige und falsche Freunde herauskristallisiert. Vermeintlich gute Freunde haben sich zurückgezogen, waren plötzlich nicht mehr für einen da, während flüchtigere Bekannte wiederum erstaunlich fürsorglich waren. Ich habe einige, auch langjährige, Freunde verloren oder habe sie aufgegeben, weil von unserer Freundschaft nicht mehr viel übriggeblieben war. Gleichzeitig sind neue Freunde, wie momentan meine fünf besten Freunde, hinzugekommen, mit denen ich zwar früher schon Fußball gespielt hatte, aber sonst keinen engeren Kontakt. Durch Zufall sind wir irgendwann mal wieder zusammengekommen, und es war so lustig, und sie sind so selbstverständlich mit dem Rollstuhlthema umgegangen, dass wir uns immer häufiger verabredet haben.
Was glauben Sie, woran lag es, dass ehemals gute Freundschaften zerbrochen sind?
Bei manchen weiß ich, dass es ihnen irgendwann zu umständlich mit mir wurde, und es hieß, wenn sie mit mir ausgehen würden, müssten sie mich ja ständig Stufen oder Treppen hochziehen, worauf sie keine Lust hätten. Oder wenn ich Freunde gefragt hatte, ob wir gemeinsam irgendwo hingehen, hieß es, sie hätten keine Lust. Und als ich dann mit anderen Leuten dort war, habe ich sie getroffen. Das war natürlich eine unschöne Erfahrung. Unser Verhältnis hat sich insofern relativ schnell geklärt.
Sehr unschön! Stimmt es, dass auch die Beziehung zur Ihrer damaligen Freundin zerbrach?
Ja, wir waren vor dem Unfall rund anderthalb Jahre zusammen. Dass die Beziehung auseinanderging, hatte aber nichts mit dem Rollstuhl zu tun. In der Hinsicht hat sie mich wahnsinnig gut unterstützt.
Dafür haben Sie sich bald neu verliebt. Sind Sie noch zusammen?
Stimmt, ich habe ein anderes Mädel kennengelernt, wir waren zwei Jahre ein Paar, aber wir sind leider inzwischen auch getrennt.
Woran lag’s?
Sicherlich war mein Umzug nach Innsbruck ein Grund, weil meine Ex-Freundin am Chiemsee wohnt. Das Problem war auch, dass sie keine Skifahrerin ist, und es kamen auch noch andere Gründe hinzu, weshalb es letztendlich nicht gepasst hat.
„Ich musste Liftfahren neu lernen“
Kommen wir zu Ihrer heutigen Leidenschaft, dem Monoski. Angeblich haben Ihre Fähigkeiten den zehnfachen Paralympics Sieger Martin Braxenthaler überzeugt, und er sagte über Sie: ‚Niko macht was er will und das zu 100 Prozent. Er ist der, der sagt, was geht und was nicht, und ein absoluter Teamplayer.‘ Er war es auch, der Sie, ein Jahr nach Ihrem Sturz, zum Monoski(-kurs) brachte.
Ja, die Idee ist dadurch zustande gekommen, dass Martin jedes Jahr einen Monoskikurs macht – wo alle Könnerklassen – von kompletten Anfängern wie ich bis langjährigen Monoskifahrern – teilnehmen können. Er hatte mir angeboten, dass ich mir das mal anschaue, und ein gemeinsamer Bekannter von uns wollte mich dabei sogar finanziell unterstützen.
Wie waren die ersten Versuche auf einem Ski?
Am Anfang war es tatsächlich sehr ernüchternd und psychisch nicht ganz so leicht – weil ich ja wusste, wie Skifahren funktioniert, wie viel Spaß es macht und was einem dieser Sport geben kann. Aber das war am Anfang leider nicht da, weil mein Körper nicht mitspielte.
Ich bin ständig hingefallen, jede Fahrt war so anspruchsvoll wie vorher gefühlt 20 Fahrten. Ich musste Liftfahren neu lernen – alles Probleme, die ich vorher nicht kannte. Ich habe, zugegebenermaßen, auch leichte Höhenangst, die im Sessellift oder in der Gondel hinzukam. Im Hochseilgarten klettern wäre z.B. überhaupt nicht mein Ding. Dadurch dass ich früher so oft Lift gefahren bin, hat sich das aber früher etwas gelegt. Nach so langer Zeit musste ich mich jetzt aber wieder dran gewöhnen.

Nikolai Sommer fährt seit seinem Unfall Monoski. (Foto: privat)
Interessant, dass Sie als Skifahrer Höhenangst haben… Was ist inzwischen das Faszinierende am Monoskifahren für Sie?
Monoski bringt mir die sportliche Freiheit zurück und setzt mich auch unter Druck, denn ich will noch viel erreichen. Das Tollste daran ist, dass es eine Sportart ist, wobei ich mit meinen Freunden beim Skifahren gleichgestellt bin. Meine Freunde in Innsbruck fahren alle auch privat gerne Ski. Und wenn ich denen dann auf der Piste zeigen kann, wie man gscheit carvt, das macht schon Spaß.
Wie hat sich Ihr Bild über Rollstuhlfahrer seit Ihrem Unfall verändert? Ihre Mutter sagte über Sie: ‚Niko ist der Positive, der sagt, das geht schon, das mache ich einfach, und er lässt sich nur helfen, wenn es gar nicht anders geht.‘
Mein Bild von Rollstuhlfahrern hat sich insofern geändert, dass ich festgestellt habe, dass es doch einige wahnsinnig coole Rollstuhlfahrer gibt, die sich selber auch mal auf die Schippe nehmen und sogar Rollstuhlwitze erzählen. Damit habe ich persönlich auch überhaupt keine Probleme. Es gibt natürlich auch Leute, die sehr empfindlich sind. Deshalb habe ich gelernt, dass es gut ist, vorab zu fragen, ob es irgendetwas gibt, worüber man besser nicht sprechen sollte. Auch um irgendwelche Befindlichkeiten von vornherein auszuschließen. Ich glaube, wenn man bei jeder Kleinigkeit nachfragen muss: ‚ Darf ich das jetzt sagen?‘, nervt das auch. Ich bin da ganz entspannt. Ich habe auch, glaube ich, noch nichts erlebt, was man bei mir nicht hat sagen dürfen. Für mich waren früher Rollstuhlfahrer Personen, denen man bei jeder Gelegenheit helfen muss. Das ist aber nicht so. Ich kann mein Leben ganz gut selber gestalten, nehme auch nicht so gerne Hilfe an.
Über sich selber lachen zu können, kann ja generell nicht schaden.
Erstaunlich ist, dass Sie kurz nach Ihrem Unfall zu Ihren Eltern sagten: ‚Ich muss unbedingt zum Kaunertaler Gletscher zurück‘, und sind genau ein Jahr später, am gleichen Tag wie der Unfall, an den Ort des Geschehens zurückgekehrt. An dem Tag sind Sie die gleiche Bodenwelle, die Sie zu Fall gebracht hatte, mit dem Monoski gefahren. Warum?
Ich wollte es mir selber und auch dem Gletscher beweisen, dass ich es kann. Ich hatte natürlich ein etwas mulmiges Gefühl, als ich über die letzten zwei Minuten, in denen ich meine Beine bewegen konnte, nachdachte. Aber ich hatte überhaupt keine traumatische Scheu vor der Wellenbahn. Und im Endeffekt war es ein wahnsinnig gutes Gefühl, als ich es geschafft habe.
Respekt! Waren Sie allein?
Nein, meine Eltern haben mich begleitet.
Abschließend gefragt: Was sind Ihre Wünsche und Pläne für die Zukunft?
Es wird voraussichtlich eine TV-Dokumentation über mich geben. Cool wäre es auch, mal einen Beitrag für die Sportschau zu machen. Bei der Gala haben sich auf jeden Fall bereits gute Kontakt ergeben.
Ist Familienplanung auch ein Thema?
Damit lasse ich mir noch Zeit und lasse die Dinge auf mich zukommen. Wie gesagt bin ich gerade frisch getrennt. Natürlich fände ich es schön, irgendwann mal meine eigene Familie mit zwei Kindern zu haben. Aber bis zu meinem 30. Lebensjahr lasse ich mir damit gerne noch Zeit.
Was sollte Ihre künftige Partnerin mitbringen?
Sie sollte schon eher aufgeweckt als schüchtern sein, und es wäre wahnsinnig cool, wenn sie Skifahren mag bzw. meine Sportbegeisterung teilt, auch Verständnis dafür mitbringt, wenn ich auch am Wochenende mal zum Training fahre. Auf alle Fälle sollte sie außerdem Humor haben, um meinen Humor zu verstehen. Ich fände es auch gut, wenn sie eine starke Persönlichkeit wäre, die mir gelegentlich auch mal Kontra gibt.
Viel Erfolg für Ihre Pläne, ich freu mich schon darauf, Sie in ein paar Jahren als Paralympics-Sieger interviewen zu können!
(RP)

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