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Gesundheit & Medizin

Mit Prehabilitation fit für die OP

Reha nach einer Operation kennt fast jeder. Aber „Preha“? Das ist im Prinzip nichts anderes – nur eben vor dem Eingriff. Welche positiven Effekte das bringt und was Sie dabei beachten müssen. Von Katja Sponholz

Eine Operation
Bessere Erfolgsaussichten: Eine Preha erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass das OP-Ergebnis gut wird. (Foto: Florian Schuh/dpa)

Wenn der Orthopäde Roel van der Most für einen Patienten „Prehabilitation“ auf ein Rezept schreibt, erntet er immer wieder erstaunte Nachfragen von Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten, was er sich darunter denn vorstelle.

Dabei ist es eigentlich ganz einfach: So wie bei der Rehabilitation nach einer Operation geht es bei der Prehabilitation darum, mithilfe spezieller Trainingsprogramme für Muskulatur und Kreislauf bei den Patienten Kraft, Beweglichkeit und Ausdauer aufzubauen. Die Preha soll also schon vor dem Eingriff fit für die Zeit danach machen.

Van der Most, der bereits 2016 erste Studien dazu durchführte, vergleicht diesen Ansatz gerne mit einem Marathon: „Den absolviert man ja auch nicht unvorbereitet, sondern trainiert gezielt dafür.“

Kein Kaltstart

Es gehe darum, dass man in eine OP nicht kalt starte, sondern gesteigert hineingehe, erläutert der Experte. So bekommt der Körper einen Vorsprung – nicht nur für den Eingriff selbst, sondern auch, um sich anschließend schneller wieder zu erholen.

„Das Prinzip ist: Jeder kann sich steigern“, sagt van der Most.

„Ich muss aus jemandem mit einem Herzleiden keinen Marathonläufer machen. Aber ich kann ihn erst mal starten lassen.“

In Studien an der Klinik, in der er in Hamburg gearbeitet hat, hat der Orthopäde die positive Wirkung von Preha-Maßnahmen beim Einsatz von Hüft- und Knieprothesen beobachtet.

Bessere Chancen für die fitteren Patienten

Doch die Einsatzmöglichkeiten gehen weit darüber hinaus, sagt Professor Wilhelm Bloch vom Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin an der Deutschen Sporthochschule Köln. „Unter Umständen können hier sogar noch größere Effekte erzielt werden“, sagt er. Die Bandbreite reiche von herzchirurgischen Operationen über große Bauch- und Lungenoperationen bis zu Tumoreingriffen. „Wir wissen, dass die Patienten, die fit sind, eher überleben als die, die nicht fit sind“, sagt Bloch.

Grundsätzlich geht es bei der Preha darum, die körperliche Leistungsfähigkeit so weit wie möglich zu optimieren. Das Ziel ist, dass Patientinnen und Patienten belastbarer und stressresistenter sind – bei der OP und während der Genesungszeit danach.

Wichtig sei es, sie schon vor der anstehenden Operation in Bewegungsmuster einzuführen, die Kraft und Koordination fördern, sagt Christopher Büttner vom Deutschen Verband für Physiotherapie.

OP-Erfolg wird wahrscheinlicher

Sport- oder Bewegungstherapie können helfen, durch dosierte Reize Muskulatur und Herzkreislaufsystem zu aktivieren, wie Sportmediziner Bloch sagt. Zudem bereiten sie den Bewegungsapparat und das Immunsystem auf die Operationsbelastung vor.

Und davon profitieren nicht nur die Patienten, sondern ebenso die operierenden Ärztinnen und Ärzte und oft auch die Anästhesie. „Alle haben einen extrem hohen Benefit, weil die Wahrscheinlichkeit, dass das OP-Ergebnis gut wird, einfach höher ist“, sagt Bloch.

Mann beim Training

Training nach Plan: Das Preha-Programm sollte speziell auf den Patienten und den geplanten Eingriff zugeschnitten sein. (Foto: Christin Klose/dpa)

Natürlich hilft es, wenn man sich langfristig mit Sport und Bewegung so fit wie möglich hält. „Bei der Preha geht es jedoch darum, in zwei bis vier Wochen das Maximum herauszuholen“, sagt Bloch. Entsprechend sind die Anforderungen: Preha funktioniere nur mit personalisiertem Training, das speziell auf den Patienten, den Eingriff und die Behandlung zugeschnitten sei.

Mehr Motivation durch „aktive Rolle“

Orthopäde Roel van der Most empfiehlt zweimal in der Woche eineinhalb Stunden gezieltes Training an Klein- und Großgeräten. Auch ergänzende Einheiten daheim seien wichtig, etwa Koordinationsübungen auf einem Bein, Dehnungsübungen oder Übungen mit einem Widerstandsband für den Knie- und Hüftstrecker.

Die positive Wirkung setzte bei den Patienten aus seiner Studie frühzeitig ein: „Schon vor der OP konnten wir bei allen Patienten eine Halbierung der Schmerzen beobachten“, so van der Most. Bei einem konnte sogar ganz auf eine Operation verzichtet werden.

Frau beim Training

Dem Körper einen Vorsprung geben: Eine Preha kann bereits vor der Operation die Schmerzen mindern. (Foto: Christin Klose/dpa)

Auch ein psychologischer Effekt gesellte sich dazu: „Die Patienten fühlen sich nicht mehr als Opfer, sondern spielen eine aktive Rolle im eigenen Genesungsprozess und sind wesentlich motivierter.“

Teufelskreis aus Schmerz und Bewegungsmangel

Viele Menschen, denen eine orthopädische Operation bevorsteht, befinden sich zuvor in einem Teufelskreis: Sie haben derart große Schmerzen, dass sie sich nicht mehr bewegen. Dadurch werden Muskeln immer weiter abgebaut, Kraft und Beweglichkeit schwinden.

Eine Operation erscheint ihnen als letztes Mittel, um die alte Lebensqualität zurückzuerlangen. „Die Erwartungen sind dann sehr hoch“, sagt van der Most. Aber ein gutes OP-Ergebnis hänge auch mit der Zeit vor dem Eingriff zusammen. „Wer vorher beweglicher war, wird es nachher auch sein. Und wer vorher wenig Schmerzen hatte, wird auch nachher weniger Schmerzen haben.“

Anders als in den Niederlanden, seinem Heimatland, sei die Preha in Deutschland längst noch nicht so selbstverständlich. Man sucht sie im Leistungskatalog der Krankenkassen bislang vergebens. Deshalb darauf verzichten müssen Patientinnen und Patienten dennoch nicht.

Nachfragen, was man tun kann

Physiotherapeut Büttner rät Betroffenen: Sie sollten den behandelnden Arzt oder die Ärztin gezielt auf mögliche physiotherapeutische Behandlungen vor der Operation ansprechen.

Auch Sportmediziner Wilhelm Bloch empfiehlt, direkt nachzufragen, wie man sich am besten vorbereiten könne, um möglichst fit in die OP zu gehen. Das lohne sich auf jeden Fall.

Alternativ rät Bloch dazu, eine sportmedizinische Praxis aufzusuchen. Einen sportmedizinischen Check zahlten die meisten Krankenkassen, so der Experte. Daraus ließe sich ein individuelles Bewegungsprogramm ableiten.

Bloch: „Wenn Defizite festgestellt werden, werden ambulante Reha-Maßnahmen verschrieben, die als Preha genutzt werden können.“

(RP/dpa/tmn)

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