Anlässlich des Internationalen Tages der Menschen mit Behinderung am 3. Dezember kritisiert der Fachverband Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie e.V. (CBP), dass Menschen mit Behinderungen in Deutschland während der Covid-19-Pandemie systematisch vernachlässigt und ihre Belange regelmäßig übersehen würden. Wenn es beispielsweise derzeit in Krankenhäusern praktisch zur Triage kommt, sei zu befürchten, dass Menschen mit Behinderungen von vornherein schlechtere Chancen haben.
In den unlängst veröffentlichten Empfehlungen der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) werden laut CBP Menschen mit Behinderungen weiterhin nicht angemessen berücksichtigt. Die Priorisierung erfolge demzufolge bei nicht ausreichenden Ressourcen nach wie vor nach Einschätzung der Erfolgsaussichten der möglichen Intensivtherapie, im Hinblick auf ein realistisch erreichbares, patientenzentriertes Therapieziel und im Vergleich zur Erfolgsaussicht der Intensivtherapie für andere Patienten. Damit werde die Zielgruppe der Menschen mit Behinderungen faktisch triagiert.
„Diskriminierung geht lückenlos weiter“
Bemerkenswert sei auch, dass eine bereits im vergangenen Jahr beim Bundesverfassungsgericht eingereichte Klage zur Triage bis heute nicht entschieden worden ist. Es stelle sich die Frage, ob die Verzögerung absichtsvoll geschieht, da eine nicht getroffene Entscheidung auch nicht angefochten werden kann. Tatsache sei, „dass Menschen mit Behinderungen in zwei Jahren Pandemie systematisch vernachlässigt worden sind und die Diskriminierung während der aktuellen Entwicklungen lückenlos weitergeht.“
Der CBP spricht sich mit Nachdruck dafür aus, die Belange von Menschen mit Behinderungen in der Covid-19-Pandemie stärker zu berücksichtigen und jegliche Diskriminierung zu beenden:
„Es darf nicht sein, dass das Vorliegen einer Behinderung in der derzeitigen Situation eine per se schlechtere Aussicht auf medizinische Versorgung und Behandlung zur Folge hat.“
Weiterhin heißt es in einer Mitteilung von CBP: „Menschen mit Behinderungen haben ein Recht auf Selbstbestimmung sowie auf volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft. Sie benötigen aber auch besonderen Schutz und Solidarität, gerade in einer besonderen Situation wie einer Pandemie.“
(RP/PM)
Der Begriff „Triage“ kommt aus dem Französischen und bedeutet „Auswahl“ oder „Sichtung“. Im medizinischen Kontext beschreibt er die Einteilung von Patienten nach der Schwere ihrer Verletzungen. Dadurch können Ärzte und Pfleger leichter entscheiden, wer zuerst behandelt wird. Triagieren gehört in Notaufnahmen zum Alltag, stammt jedoch ursprünglich aus der Militärmedizin. Der französische Chirurg Freiherr Dominique Jean Larrey entwickelte die Triage im Jahr 1792 während der Napoleonischen Kriege. In Zeiten knapper Ressourcen brauchte man ein System, um zu entscheiden, welche der zahlreichen Verletzten zuerst behandelt wurden. Ziel der Triage war es, Soldaten möglichst schnell wieder fit für den Einsatz zu machen. Das bedeutet, dass diejenigen mit den besten Aussichten auf Genesung zuerst Hilfe bekamen, und nicht die Menschen, die sie am nötigsten brauchten.
Dieser Ansatz steht im Konflikt mit den Prinzipien der Medizin heutzutage: In einer Notaufnahme werden Menschen, denen es besonders schlecht geht, auch besonders dringlich behandelt. Im Krieg, bei Katastrophen oder in anderen Ausnahmefällen wandelt sich das – es mangelt an Zeit, Personal und Materialien, sodass eine angemessene Versorgung aller nicht möglich ist. In solchen dramatischen Situationen dient die Triage dazu, Behandlungsentscheidungen so zu treffen, dass möglichst viele Menschen überleben.
Quelle: Quarks
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