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Menderes Bağci: „Ich beneide Kinder, die von ihren Eltern gefördert werden“

Der 37-jährige DSDS-Star und Ex-Dschungelkönig hat eine chronisch-entzündliche Darmkrankheit, die nicht heilbar ist. Im Interview mit ROLLINGPLANET-Autorin Anke Sieker spricht er über seine Gesundheit, schwierige Familienverhältnisse und warum er sich selbst der größte Halt ist.

Menderes bekam Anfang 2005 die Diagnose „Colitis ulcerosa“. Das ist eine Autoimmunerkrankung, bei der der Körper seine eigenen Organe angreift.
Menderes bekam Anfang 2005 die Diagnose „Colitis ulcerosa“. Das ist eine Autoimmunerkrankung, bei der der Körper seine eigenen Organe angreift. (Foto: enginmedia gmbh)

Als hartnäckigster Kandidat der RTL-Castingshow „Deutschland sucht den Superstar“ wurde Menderes 2002 bekannt, im Dschungelcamp zum Publikumsliebling. Doch was bisher kaum jemand wusste: Der türkischstämmige Sänger hat eine schwere chronische Krankheit.

„Mit Dieter Bohlen möchte ich mich mal ganz normal unterhalten“

Wie geht es Ihnen?

Für meine Verhältnisse geht es mir ganz okay. Ich habe gerade meinen neuen Song „Wir fliegen in den Süden“ herausgebracht. Aber bedingt durch die Corona-Pandemie wurden natürlich leider sämtliche Live-Auftritte abgesagt, das heißt es fehlt die Bestätigung vom Publikum und nach wie vor die Perspektive auf baldige Konzerte. Aber ich bin dankbar, dass ich überhaupt Musik machen und auch ganz gut davon leben kann. Ich habe ja ursprünglich eine Ausbildung als Tankwart gemacht und inzwischen in einer ganz anderen Branche Fuß gefasst.

Sie sind das beste Beispiel dafür, dass man, wenn man sich etwas wirklich wünscht, es auch schaffen kann. Als hartnäckigster Kandidat bei DSDS wurden Sie Kult. Wie oft waren Sie insgesamt dort?

Nachdem DSDS dieses Jahr seine Volljährigkeit gefeiert hat, war ich insgesamt, seit der ersten Sendung, 17 Mal dabei. Nur in der letzten Show nicht mehr.

Mussten Sie ja auch nicht, weil Sie ja inzwischen erfolgreich sind. Insbesondere, nachdem Sie 2016 „Dschungelkönig“ wurden, sind Sie ein absoluter Publikumsliebling. Wie finden Sie es, dass Dieter Bohlen künftig nicht mehr in der DSDS-Jury sitzen wird?

Ich finde es schade, hätte auch nie damit gerechnet. Ich würde mich freuen, ihn auch abseits der Show mal wieder zu treffen und mich ganz normal mit ihm zu unterhalten. Dazu hatten wir leider nie Gelegenheit.

Menderes mit DSDS-Ex-Chef-Juror Dieter Bohlen. Als hartnäckigster Kandidat der Castingshow wurde Menderes Kult. Insgesamt 17 Mal war er mit dabei.

Menderes mit DSDS-Ex-Chef-Juror Dieter Bohlen. Als hartnäckigster Kandidat der Castingshow wurde Menderes Kult. Insgesamt 17 Mal war er mit dabei. (Foto: privat)

Wie haben Sie Ihre Willensstärke und den Ehrgeiz entwickelt? Sie waren ja schon als Kind musikbegeistert und Ihr größtes Idol war Michael Jackson.

Ich glaube, das gewisse Etwas muss man einfach in sich haben. Das kann man wohl auch nicht lernen. Die innere Stärke hat man oder nicht. Meine Kindheit war nicht gerade sehr einfach. Nachdem sich meine Eltern haben scheiden lassen, ich war vier Jahre alt, habe ich bis zu meinem zehnten Lebensjahr bei meiner Mutter gelebt. Danach, so hatte es das Gericht entschieden, sollte ich bei meinem Vater leben. Er hatte zu der Zeit bereits eine neue Partnerin und auch zwei Kinder mit ihr, und obwohl mein älterer leiblicher Bruder bereits bei ihm lebte, musste ich mich erstmal an die neue Umgebung gewöhnen und auch anpassen.

Ich wäre gerne zurück zu meiner Mutter, aber das war nicht möglich. Auf jeden Fall habe ich mich zu der Zeit nicht besonders wohl gefühlt. Trotzdem war ich sehr ehrgeizig, sportbegeistert und habe auch andere gern motiviert. Ich habe damals auch häufig Tennis gespielt und wollte immer so sein wie Andre Agassi. Ich glaube, ich hätte auch ein guter Sportler werden können, wenn man mich unterstützt hätte. Deshalb beneide ich Kinder, die von ihren Eltern gefördert werden. Ich weiß noch, dass es in meiner Klasse einen Jungen gab, den seine Eltern regelmäßig zum Klavierunterricht schickten. Dabei hatte er gar keine Lust dazu. Ich hätte das wahnsinnig gerne gelernt.

Tatsächlich ist ja häufig festzustellen, dass gerade Kinder, die nicht gefördert wurden, einen besonderen Ehrgeiz entwickeln.

Ich denke, Leute, die es in dieser Hinsicht einfacher haben, wissen es häufig nicht zu schätzen. Wenn du unter schwierigen Bedingungen aufwächst, entwickelst du eine ganz andere Persönlichkeit. Wenn du gelernt hast, mit weniger auszukommen, kannst du auch besser mit mehr umgehen. Jemand, der lange für etwas kämpfen musste, wertschätzt es auch viel mehr, wenn er es erreicht hat. Ich jedenfalls bin sehr dankbar dafür. Auch der Körper kann unter erschwerten Umständen Leistung erbringen, wenn man ihn daran gewöhnt hat. Ich hatte in der Kindheit nicht viel. Meine Mutter war alleinerziehend, hat den ganzen Tag in einer Keramikfirma gearbeitet und meine Nachbarn haben mich morgens geweckt, damit ich rechtzeitig zum Schulbus kam, der mich nach dem Unterricht auch zum Hort fuhr und abends wieder zurück nach Hause.

„Im Dschungelcamp habe ich mich physisch und psychisch verändert“

Welche Auswirkungen hatte Ihre Teilnahme bei „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus“? Bestand je die Gefahr, dass Sie auf einen Höhenflug geraten?

Nein, nicht wirklich. Ich hatte ja schon durch die Castings bei DSDS Fernsehluft geschnuppert. Klar war es ein komisches Gefühl, mich zum ersten Mal im Fernsehen zu sehen, aber irgendwann hatte ich mich daran gewöhnt, dadurch einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangt zu haben. Natürlich habe ich durchs Dschungelcamp auch noch eine andere Zielgruppe erreicht. Die Leute haben dabei auch eine andere, persönlichere Seite von mir kennengelernt und sich dadurch vielleicht auch ein positiveres Bild von mir gemacht. Natürlich war die Sendung ein enormer Push für meinen Bekanntheitsgrad.

2016 nahm Menderes an der zehnten Staffel der Realityshow „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“ teil und wurde zum „Dschungelkönig“ gewählt.

2016 nahm Menderes an der zehnten Staffel der Realityshow „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“ teil und wurde zum „Dschungelkönig“ gewählt. (Foto: privat)

Ich glaube, die Sendung war das Krasseste, was ich je gemacht habe. Ich habe zehn Kilo abgenommen, war von 72 Kilo plötzlich auf 62 und habe mich physisch und psychisch verändert. Als ich da rauskam, habe ich mich erstmals wie ein anderer Mensch gefühlt. Viele wissen nicht, dass ich danach viele negative Dinge erlebt habe. Etwa ein halbes Jahr später hatte ich so was Ähnliches wie eine Sinnkrise, häufig Stimmungsschwankungen und negative Gedanken. Ich wog, wahrscheinlich durch den Jo-Jo-Effekt, auf einmal 83 Kilo. Und ich habe gemerkt, dass sich die Leute mir gegenüber verändert hatten, nicht ich. Es war keine einfache Zeit.

Noch dazu leiden Sie unter einer seltenen Krankheit, sind an Colitis ulcerosa erkrankt, einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung. Wie lange haben Sie die Krankheit schon und wie geht es Ihnen momentan?

Ich komme damit eigentlich ganz gut zurecht. Es gab auch Phasen, wo es mir viel schlechter ging als im Moment. Die Beschwerden kommen meist schubweise, begannen Ende 2004, Anfang Januar 2005 bekam ich die Diagnose.

„Ich hatte Phasen, in denen ich über die Hälfte meines Blutes verloren habe.“

Welche Beschwerden haben Sie?

Der Krankheitsverlauf fällt sehr unterschiedlich aus. Es gibt verschiedene Arten. Wenn du Glück hast, hast du schubfreie Phasen in deinem Leben und kannst den Alltag einigermaßen meistern. Wenn du Pech hast, gibt es nie beschwerdefreie Momente. Dadurch, dass die Schleimhaut im Darm entzündet ist, verliert man ständig Blut. Ich hatte Phasen, in denen ich über die Hälfte meines Blutes verloren habe. Natürlich schwächt das extrem. Wenn du Pech hast, kannst du an der Krankheit verbluten.

Was tun Sie dagegen?

Es gibt eine Standardtherapie mit Salofalk. Es enthält eine entzündungshemmende Substanz, die die Beschwerden lindert. Wenn es ganz schlimm wird und jemand permanent blutige Durchfälle hat, gibt es noch stärkere Mittel, zum Beispiel Cortison. Man muss sich das so vorstellen: In dem Moment, wo es schlimm wird, fühlt man sich in seinem Körper gefangen. Die Krankheit bestimmt dein ganzes Leben, die ganze Situation fühlt sich extrem unangenehm an. Natürlich belastet das auch psychisch extrem. Es gibt dagegen auch keine bestimmte Diät. Es ist eine Autoimmunkrankheit, bei der der Körper seine eigenen Organe angreift.

„Durch das Cortison ging ich auf wie ein Hefezopf“

Gibt es bestimmte Ursachen für diese Krankheit?

Man vermutet, dass sie auch etwas mit der Ernährung zu tun haben könnte. Die Krankheit kann auch psychosomatische Ursachen haben. Vielleicht ist das auch bei mir der Fall. Es wurden noch keine konkreten Ursachen festgestellt. Es gab bei mir eine Phase, in der ich Cortison nehmen musste. Durch die Therapie bekam ich ein totales Vollmondgesicht, meine Haut hat sich verschlimmert, aber ich habe es in Kauf genommen, weil es mir dadurch besser ging. Ich habe aber davon nie jemanden erzählt. Als ich 2005 zu DSDS gegangen bin, wussten die Leute also nicht, wieso ich so aufgegangen war wie ein Hefezopf. Ich wollte nicht, dass jemand davon wusste, auch kein Mitleid auf mich ziehen.

Umso beeindruckender ist, dass Sie sich trotzdem weiter durchgekämpft haben.

Ich hatte auch Phasen, wo ich keine Power hatte. Wollte ich von der Couch aufstehen, bin ich fast ohnmächtig geworden, weil ich aufgrund meines Blutverlusts keine Energie mehr hatte. Ich habe mich aber immer durchgekämpft, bin nie liegengeblieben. Mein Kopf hat mir immer gesagt: Irgendwann wird diese Zeit auch vorübergehen. Ich habe mich immer selber motiviert und mich permanent angetrieben, weiterzumachen statt aufzugeben. Es hätte ja auch alles noch viel schlimmer kommen können.

Viele andere hätten sich in meiner Situation vielleicht in Alkohol oder Drogen geflüchtet. Das habe ich nie getan. Durch so eine unangenehme Krankheit, über die man auch nicht gerne spricht, bröckelt ja auch das Selbstbewusstsein extrem. Außerdem gab es immer auch Leute, die mich kritisiert und verbal attackiert haben. Menschen können ja so böse sein. Trotzdem sehe ich das Leben als einen Lernprozess, denn man lernt aus negativen Phasen. Im Moment, muss ich ganz ehrlich sagen, bin ich in einer etwas ernsteren Phase, die Krise hat ihre Spuren hinterlassen und manchmal ist es schwierig, Freude auszustrahlen. In meinem Job ist, wie wir alle wissen, vieles Fassade. Man will den Leuten Schönes vermitteln. Vergleichbar mit den Influencern in den Sozialen Medien. Ich möchte aber authentisch bleiben.

Menderes´ neue Single „Wir fliegen in den Süden“ ist gerade erschienen. Der Sänger ist dankbar, von seiner Musik heute leben zu können.

Menderes´ neue Single „Wir fliegen in den Süden“ ist gerade erschienen. Der Sänger ist dankbar, von seiner Musik heute leben zu können. (Foto: enginmedia gmbh)

„Ich bin mir selbst der größte Halt!“

Ihr Wahlspruch: „Never give up!“ hat Kultstatus. Wie erhalten Sie sich Ihren Optimismus? Wer oder was ist Ihr größter Halt?

Mein größter Halt bin ich selber. Ich habe mich selber nie aufgegeben. Eigentlich bin ich mein stärkster Kritiker, mit mir selber oft im Clinch, aber auch mein größter Befürworter. Man muss ja auch das innere Kind in sich loben. Ich bin mein eigener Anker und dabei hilft mir auch oft die Musik.

Haben Sie einen besten Freund oder eine Freundin, die Sie unterstützt?

Leider nein. Ich hätte mir auch gewünscht, dass ich sagen kann: Meine Mutter war immer die wichtigste Person für mich. Es macht mich traurig, dass ich das leider nicht sagen kann. Es gab zwischen uns diesen Cut, als sie mich zu meinem Vater geschickt hat, und ich glaube, vieles wäre anders verlaufen, wenn ich bei ihr geblieben wäre. Leider habe ich keinen Menschen, der mich so wertschätzt wie ich bin, mit dem ich auf einer Wellenlänge bin.

Haben Sie gar keinen Kontakt mehr zu Ihrer Mutter?

Wir haben inzwischen wieder sporadisch Kontakt. Aber man kann die Zeit nicht zurückdrehen, und die fehlt mir.

Was sind Ihre Lieblings-Freizeitaktivitäten in Ihrem Wohnort Langenfeld?

Laufen tut mir gut, und ich habe gemerkt, dass es auch ein bisschen mein Selbstbewusstsein gestärkt hat.

Was sind Ihre nächsten Pläne und Herausforderungen?

Das ganze Leben ist eine Herausforderung. Ich wünsche mir natürlich, dass sich gesundheitlich nichts verschlimmert, womöglich sogar verbessert. Auch dass es musikalisch weitergeht. Gerade ist, wie gesagt, meine neue Single „Wir fliegen in den Süden“ erschienen. Außerdem habe ich noch mein Kinderlied „Nano vom Planeten X“ in der Pipeline und dazu ein Video gedreht. Das hat mir auch sehr viel Freude gemacht. Und natürlich hoffe ich, dass ich bald wieder auftreten kann.

Das wünsche ich Ihnen auch, vor allem, dass es gesundheitlich bergauf geht. Vielen Dank für das Interview.

(RP)

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