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Gesundheit & Medizin

„Man will seine Arbeit gut machen“ – so erleben Pfleger und Ärzte die Corona-Pandemie

Die vierte Welle nimmt an Fahrt auf, die Intensivstationen füllen sich rasant. Das Personal des Klinikums Fürth ist mit seinen Kräften am Ende. Dabei wäre der Zustand vermeidbar gewesen. Von Irena Güttel

Die pflegerische Leitung der Intensivstation, Petra Stellwag (l), und Intensivstationsarzt Ullrich Voran (r) bei einem Corona-Patienten auf der Intensivstation.
Die Situation auf der Intensivstation Fürth ist aufgrund steigender Corona-Zahlen angespannt. (Foto: Daniel Vogl/dpa)

Plastikmantel anziehen, Schutzbrille und Maske aufsetzen, dann die Plastikhandschuhe, desinfizieren – das machen Ullrich Voran und Petra Stellwag jeden Tag viele Male. Jedes Mal, wenn sie von einem Patienten zum anderen wechseln. Immer kostet es sie einige Minuten Zeit.

„Wir machen gerade alles in einem Tempo, das kann man sich nicht vorstellen“, sagt Stellwag, die pflegerische Leiterin auf der Intensivstation im Klinikum Fürth ist. Trotzdem ist es nie schnell genug.

„Wir sind am Limit – und das sind wir schon lange“,

sagt Stationsarzt Voran. „Wir sind müde. Wir können eigentlich nicht mehr.“ Die Corona-Pandemie hat ihn und alle anderen auf der Intensivstation viel Kraft gekostet. Doch ihnen bleibt keine Wahl, sie müssen weiter um Menschenleben kämpfen. So gut es geht.

Intensiv-Personal fehlt

Mehr als 3.300 Menschen befinden sich nach Angaben des Divi-Intensivregisters bundesweit zurzeit wegen einer Covid-Erkrankung auf einer Intensivstation, etwa die Hälfte davon muss beatmet werden. Von den deutschlandweit rund 22.000 Intensivbetten sind aktuell nur noch knapp 2.400 frei (Stand: 18.11.). Besonders in Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen und Thüringen ist die Lage angespannt.

Der Pandemiebeauftragte Manfred Wagner (v.l.n.r.), die pflegerische Leitung der Intensivstation, Petra Stellwag, und Stationsarzt Ullrich Voran beraten sich.

Am Limit: Der Pandemiebeauftragte Manfred Wagner (v.l.n.r.), die pflegerische Leitung der Intensivstation, Petra Stellwag, und Stationsarzt Ullrich Voran (Foto: Daniel Vogl/dpa)

So auch im Klinikum Fürth. Weil Personal fehlt, kann das Klinikum nur 22 der eigentlich 30 Intensivbetten nutzen – und die sind immer belegt. Zehn Patientinnen und Patienten mit Covid-19 müssen die 51-jährige Petra Stellwag und ihr Team gerade zeitgleich versorgen – was wegen des großen Aufwands viel mehr Zeit und Energie kostet, als bei anderen Erkrankten. Sieben der zehn Corona-Kranken sind ungeimpft.

Dass sie ständig unter Hochdruck arbeiten, merkt man ihnen jedoch nicht an. Ruhig und konzentriert sind Stellwag und Voran, als sie an das Bett eines Patienten treten. Dieser ist inzwischen nicht mehr infektiös. Stellwag legt ihre Hand auf seine, spricht ihn an. Der 35-jährige Stationsarzt kontrolliert währenddessen die Werte auf dem Monitor und saugt Sekret aus der Luftröhre ab.

Maximale Anstrengung

Oft müssen sich die Pflegekräfte zwei bis drei Stunden am Stück um einen Patienten kümmern, müssen ihn umdrehen, das Bett in voller Montur durch das Krankenhaus zum Röntgenraum schieben – durchgeschwitzt bis auf die Unterhose. „Das ist maximal anstrengend“, sagt Stellwag. Dabei habe man ständig das Gefühl seinen Patientinnen und Patienten nicht gerecht werden zu können, weil man sich entscheiden müsse, zu wem man zuerst gehe.

Auch den Ärztinnen und Ärzten geht es so. „Man ist unzufrieden. Man will seine Arbeit ja gut machen“, sagt Voran. Aber das sei nicht einfach. Die Corona-Infizierten seien oft übergewichtig, mit vielen Vorerkrankungen, angeschlossen an viele Maschinen, immer an der Grenze zum Tod.

Durchschnittsalter sinkt

Von Infektionswelle zu Infektionswelle sei das Durchschnittsalter der Patientinnen und Patienten gesunken, sagt der Pandemiebeauftragte Manfred Wagner. Zurzeit liege dieses durchschnittlich bei 55 Jahren. Gerade die junge Erkrankten blieben lange auf der Intensivstation, meist 30 bis 40 Tage.

Arzt überprüft Patientenwerte auf Display.

Die Corona-Patienten fordern sehr hohe Aufmerksamkeit des Krankenhauspersonals. (Foto: Daniel Vogl/dpa)

Wenn dann ein Rettungswagen einen Menschen mit Herzinfarkt bringt, steht Wagner vor einer unmöglichen Situation. Natürlich nehme man den auf – obwohl man wisse, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das eigentlich nicht mehr schaffen, sagt Wagner.

„Das ist die Triage, die stattfindet. Es geht zu Lasten der Mitarbeiter und zu Lasten der anderen Patienten.“

Patienten, die dann auf andere Stationen wechseln, in andere Krankenhäuser verlegt werden oder lange auf OP-Termine warten müssen. „Wir müssen immer wieder Entscheidungen treffen, wo wir Leute mit keinem guten Gefühl verlegen“, sagt Voran.

Zustand war vermeidbar

Besonders belastend finden er und Stellwag den Gedanken, dass all das mit einer höheren Impfquote vermeidbar gewesen wäre. Die Politik habe trotz der Warnungen vieler Fachleute viel zu lange abgewartet, meint Stellwag. „Das macht uns echt fassungslos – und auch so machtlos. Wir können uns nicht wegducken.“

Wenn dann ungeimpfte Corona-Infizierte auf die Intensivstation kämen, mache das psychisch schon etwas mit einem, sagt Voran, betont aber: „Wir behandeln alle gleich.“

(RP/dpa)

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