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„Integrationsämter gefährden Arbeitsplätze gehörloser Arbeitnehmer/-innen!“

Welche negativen Folgen die Novellierung des Justizvergütungs und -entschädigungsgesetzes (JVEG) für Menschen mit Hörbehinderung hat.

Alltag im Berufsleben: ein Meeting.
Alltag im Berufsleben: ein Meeting.

Bei Teambesprechungen, Kundengesprächen, Telefonaten und Ähnlichem können gehörlose und andere Arbeitnehmer/-innen mit Hörbehinderung gesprochenen Dialogen mit Kolleg/-innen und Vorgesetzten oft akustisch nicht folgen.

Sie benötigen Gebärdensprachdolmetschende (GSD) oder andere geeignete Kommunikationshilfen (sogenannte „Arbeitsassistenz“), um in der Arbeitswelt kommunizieren und ihre volle Arbeitsleistung erbringen zu können. Das Gesetz sieht vor, dass die Kosten dieser Arbeitsassistenz vollumfänglich von den Integrations- und Inklusionsämtern übernommen werden müssen.

Keine volle Kostenübernahme

Dennoch verweigern die Integrations- und Inklusionsämter häufig die volle Kostenübernahme und gefährden „bewusst die Arbeitsplätze gehörloser und anderer Menschen mit Hörbehinderung!“, klagt der Deutschen Gehörlosen-Bund (DGB).

Der Bundestag und der Bundesrat haben zum 1. Januar 2021 mit der Novellierung des Justizvergütungs und -entschädigungsgesetzes (JVEG) die Erhöhung der Honorare für die GSD beschlossen. Damit stiegen auch die Kosten für die Arbeitsassistenz. Viele Integrations- und Inklusionsämter weigerten sich jedoch laut DGB, diese Erhöhung mitzutragen.

Entscheidungen ohne Rücksprache

Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrations- und Inklusionsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH) hat sich zum Ziel gesetzt, sich für die gleichberechtigte Teilhabe von behinderten Menschen an einem inklusiven Arbeitsmarkt einzusetzen. Dennoch habe die BIH ohne Rücksprache mit dem DGB und seinen Landesverbänden als Selbsthilfeorganisationen Empfehlungen bzw. Regeln aufgestellt, die „eine gleichberechtigte Teilhabe gehörloser Menschen unmöglich machen“, heißt es in einer DGB-Mitteilung.

Dies sei ein klarer Verstoß gegen die UN-Behindertenrechtskonvention, die in diesen Fragen eine Zusammenarbeit mit der Behindertenselbsthilfe verlangt („Nicht ohne uns über uns“). Die BIH hat in ihren Empfehlungen zur Bezuschussung von Kosten für GSD im Rahmen der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben am 1. Februar 2021 beschlossen, diese vom Bundestag und Bundesrat beschlossenen Honorare nicht anzupassen. Die Folge: Gehörlose Menschen können ihre Arbeitsassistenz nicht mehr bezahlen.

Gesetzlichen Auftrag verletzt?

Die Integrations- und Inklusionsämter setzen diese Regelungen in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich um. „Auffällig ist, dass die Integrations- und Inklusionsämter in vielen Bundesländern alles versuchen, um die Kostenübernahme für die Arbeitsassistenz zu erschweren bzw. unmöglich zu machen. Viele gehörlose Menschen haben Widersprüche einlegen bzw. Anwält/-innen einschalten müssen. Sie haben das Gefühl, dass die Integrations- und Inklusionsämter ihren gesetzlichen Auftrag einer gleichberechtigten Teilhabe gehörloser Menschen verweigern“, kritisieren der DGB und seine Landesverbände und fordern deshalb von den Integrations- und Inklusionsämtern, dass diese ihren gesetzlichen Auftrag erfüllen, die Teilhabe gehörloser und anderer Menschen mit Hörbehinderung zu ermöglichen.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales sowie die Landessozialministerien werden aufgefordert, die diskriminierende Haltung und Handlungen vieler Integrations- und Inklusionsämter zu beenden und sie dazu zu bringen, gehörlosen und anderen Menschen mit Hörbehinderung die Teilhabe am Arbeitsleben zu ermöglichen.

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(RP/PM)

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