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Gesellschaft & Politik

Im Visier eines Hetzers: Wolfgang Schäuble übelst wegen seiner Behinderung beleidigt

Der Hass im Netz nimmt dramatisch zu – ist Ignorieren tatsächlich die richtige Lösung? Ein NDR-Doku zeigt, dass viele Politiker eine Konfrontation scheuen.

Wolfgang Schäuble fährt im Rollstuhl und mit Maske durch den Bundestag.
Wolfgang Schäuble im Bundestag (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Ranghohe Strafverfolger mit Schwerpunkt Hasskriminalität im Internet fordern dem NDR zufolge von Abgeordneten mehr Unterstützung bei Beleidigungsverfahren.

„Es ist für uns sehr misslich, wenn wir am Ende aufwändiger Ermittlungen feststellen müssen, dass die beleidigte oder verleumdete Person den erforderlichen Strafantrag ablehnt, auf den wir angewiesen sind“,

sagte der Göttinger Oberstaatsanwalt Frank-Michael Laue dem NDR. Der Koblenzer Generalstaatsanwalt Jürgen Brauer wurde laut NDR noch deutlicher. „Wir würden uns wünschen, dass die Ermächtigungen in jedem Fall erteilt würden“, appelliert er an die Politik.

Beide äußerten sich in Interviews für die NDR Dokumentation „Hass im Netz: Unterwegs mit Strafverfolgern“ von Grimme-Preisträger Klaus Scherer. Der Film läuft am Montag, 6. Dezember, um 22.50 Uhr in der Reihe „Die Story im Ersten“. In der ARD Mediathek ist er bereits vom 1. Dezember an abrufbar.

Hintergrund sind Hetz-Posts mit strafbarem Inhalt, die etwa nach Netz-Recherchen des Bundeskriminalamtes zu Verfahren führen oder im Zuge des neuen Gesetzes gegen Hass im Netz von Medien an die Strafverfolger weitergegeben werden müssen, sobald sie den Redaktionen auf ihren Online-Seiten aufgefallen sind.

Hass-Attacke gegen Schäuble

Für seinen Film hat Scherer ein Jahr lang Ermittlerinnen und Ermittler in Rheinland-Pfalz, Sachsen und Niedersachsen begleitet. In einem der dokumentierten Fälle hatte das Landeskriminalamt in Mainz den Urheber eines Online-Posts ausfindig gemacht, der den amtierenden Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble, CDU, übelst wegen dessen Körperbehinderung beleidigt und zugleich den Wunsch nach einem neuerlichen Attentat angedeutet hat. Schäuble ist seit einem Anschlag auf ihn im Jahr 1990 auf einen Rollstuhl angewiesen. Laut NDR wurden die LKA-Ermittlungen eingestellt, weil Schäuble den nötigen Strafantrag ablehnte.

Das Büro des amtierenden Bundestagspräsidenten teilte Klaus Scherer auf Anfrage mit, Wolfgang Schäuble habe für sich selbst entschieden, „persönliche Beleidigungen nicht an mich heranzulassen“. Stattdessen halte er sich an die Devise: „Nicht mal ignorieren!“ Auch andere Politikerinnen und Politiker, darunter die amtierende Bundeskanzlerin, gelten unter Strafverfolgerinnen und Strafverfolgern laut NDR als sehr zurückhaltend, wenn es um die zur Verfolgung nötigen Strafanträge gehe, obwohl das Parlament mit dem neuen Gesetz gegen Hass im Netz selbst ein Zeichen bei der Bekämpfung von Online-Hetze setzen wollte.

Tödlichen Kopfschuss bejubelt

Blumen und Kerzen sind vor einer Tankstelle aufgestellt.

Ein Mitarbeiter dieser Tankstelle war am 18. September von einem Mann erschossen worden, weil er diesen auf die Maskenpflicht hingewiesen hatte. (Foto: Birgit Reichert/dpa)

„Nach wie vor glauben viele Menschen, dass sie im Internet in einem rechtsfreien Raum unterwegs sind“, erklärt auch die Dresdener Staatsanwältin Nicole Geisler in der NDR Dokumentation „Hass im Netz: Unterwegs mit Strafverfolgern“.

„Das ist aber ein Trugschluss“,

so Geisler.

Generalstaatsanwalt Jürgen Brauer führt von Koblenz aus derzeit Dutzende Verfahren gegen Online-Nutzerinnen und -nutzer, die den tödlichen Kopfschuss auf einen Studenten bejubelten, der als Tankstellen-Kassierer im rheinland-pfälzischen Idar-Oberstein einen Kunden zum Tragen einer Corona-Maske aufgefordert hatte. Oberstaatsanwalt Frank-Michael Laue leitet die Zentralstelle gegen Hass im Netz im niedersächsischen Göttingen.

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