Mit gerade erst 23 Jahren kann Fußballerin Celine Wagner bereits auf eine beachtliche sportliche Karriere zurückblicken. So gelang ihr mit zwölf Jahren der Sprung zum 1. FC Saarbrücken. Sie spielte in der Saarland-Auswahl, nahm am Länderpokal in Duisburg teil. Mit 17 debütierte sie in der 2. Bundesliga beim 1. FFC Niederkirchen. 2018 wechselte sie zum SV Göttelborn, wo auf Anhieb der Aufstieg in die Regionalliga gelang.
Sie haben eine sehr ungewöhnliche Krankheitsgeschichte, ließen sich wegen eines erhöhten Krebsrisikos im August 2020 den Magen entfernen. Wie kam es dazu?
Meine Oma ist ein Jahr vor meiner Geburt mit 47 Jahren an Magenkrebs gestorben, und irgendwann hat sich in der Humangenetik herausgestellt, dass wir einen Gendefekt in der Familie haben. Dieser nennt sich CDH1-Genmutation und ist bei uns leider mütterlicherseits aufgetreten. Auch der Vater meiner Mutter ist mit 47 Jahren daran gestorben. Und offensichtlich geht diese Krankheitsgeschichte auch noch weiter zurück in unserer Familiengeschichte. Also haben meine Mutter, mein Onkel und meine Tante vor einigen Jahren einen Bluttest machen lassen, und es stellte sich heraus, dass auch sie unter diesem Gendefekt, der Magenkrebs verursachen kann, leiden. Deshalb habe auch ich mich irgendwann dazu entschlossen, den Test machen lassen. Und der war leider bei drei Tests jedes Mal positiv.
Schon Ihre Mutter hatte sich nach ihrem Befund den Magen entfernen lassen. Wie ging es ihr danach?
Ja, das war vor drei Jahren. Es war ein komplett anderer Eingriff als bei mir. Sie wurde zeitgleich mit ihrer Zwillingsschwester in Kaiserslautern operiert, und beide bekamen einen kompletten Bauchschnitt. Bei mir wurde es, durch den technischen Fortschritt, laparoskopisch durch den Bauchnabel gemacht. Meine Mutter konnte nach ihrer OP schrittweise langsam wieder mit Einnahme des Verdauungsenzyms Kreon alles essen beziehungsweise anfangs nur ganz kleine Portionen. Stückweise wurde es dann langsam besser bei ihr.
„Ich war schon immer ein guter Esser, deswegen vergesse ich das Essen auch nicht!“
Wie kann ich mir die OP vorstellen?
Die Speiseröhre wird direkt mit dem Zwölffingerdarm verbunden. Bei meiner Mama wurde die Galle entfernt, bei mir wurde sie erhalten. Also habe ich eine Y-Konstruktion zur Galle bekommen. Das Problem bei jeder OP ist jedoch, dass sich an der Verbindungsstelle schnell Narbengewebe bildet, welches häufig zu einer Verengung führt, die das Essen und Schlucken erheblich erschwert. Wenn man dem nicht entgegensteuert, indem man häufiger isst, steigt die Vernarbung an. Durch das häufige Essen dehnt sich dagegen der Bereich wieder leicht aus. Glücklicherweise ist bei mir alles gut verlaufen. Ich war auch schon immer ein guter Esser, deswegen vergesse ich das Essen auch nicht. Man hat ja nach dieser Operation kein Hungergefühl mehr.
Eine ziemlich mutige Entscheidung! Was ist vor diesem Eingriff in Ihnen vorgegangen?
Einerseits hatte ich Angst, die OP nicht machen zu lassen. Andererseits hatte ich natürlich auch Angst vor diesem Eingriff. Aber ich konnte mich irgendwann nicht mehr mit dem Gedanken anfreunden, dass in mir etwas wächst, was leider vorsorglich nicht einmal durch eine Magenspiegelung erkennbar ist, weil der Magen wie eine Zwiebel aus verschiedenen Schichten besteht. Mit dieser Ungewissheit konnte ich auf Dauer nicht mehr umgehen. Deshalb habe ich mich für die Operation entschieden.
Hatten Sie bereits Beschwerden?
Nein, der Eingriff geschah rein prophylaktisch. Im Endeffekt wurden, als man den Magen anschließend untersucht hat, tatsächlich drei Krebsherde gefunden. Bei mir war es bereits Stufe eins, bei Stufe zwei hätte ich eine Chemotherapie machen müssen. Das Problem bei meiner Krankheit ist leider, dass auch das Brustkrebsrisiko zu 50 Prozent erhöht ist. Auch hier bin ich in monatlicher Überwachung.
Trotzdem scheinen Sie ein sehr positiver Mensch zu sein?
Ja, mich hat diese Erfahrung einiges gelehrt – nämlich auch im jungen Alter das zu schätzen, was man hat, und dass es nichts Wichtigeres gibt als die Gesundheit und den Beistand der Familie. Ich bin froh, dass ich trotz meiner schlimmen Krankheit eine zweite Chance bekommen habe.
„Schon am ersten Tag habe ich mich aus dem Bett gequält.“
Wie ging es Ihnen nach der OP?
Die ersten fünf Tage waren die schlimmsten, auch die Bewusstwerdung über den Eingriff. Gefühlt war ich ja vorher ein kerngesunder Mensch gewesen. Der Gedanke, dass mir jetzt etwas fehlte, war schwierig. Nach der OP hat sich mein Bauch angefühlt, als wenn ein Sack Zement auf mir liegt. Wahrscheinlich auch, weil die vielen Narben gespannt haben. Leider wurde bei meiner OP noch dazu die Lunge leicht verletzt, dadurch hatte ich einen Liter Wasser in der Lunge, was punktiert werden musste. Trotzdem habe ich mich schon am ersten Tag aus dem Bett gequält, weil ich es schlimmer gefunden hätte, liegen zu bleiben, und bin mit einer Gehhilfe über den Gang gelaufen. Ich musste lernen, neu aufzustehen und mich aufzurichten, weil ich natürlich den Bauchraum nicht anspannen durfte. Ich hatte auch ganz extreme Schwindelanfälle und war anfangs bei jedem Schritt auf Hilfe angewiesen.

Hartes Training: Celine Wagner arbeitet daran, ihre alte Kondition wieder zu erlangen. (Foto: privat)
Worauf müssen Sie jetzt, gerade auch bei der Ernährung, achten?
Man sollte keine scharfen oder unverdaulichen Sachen essen. Aber eigentlich esse ich wieder alles. Ich habe den Eindruck, dass ich sogar fast mehr esse als zuvor. Auch meine Portionen sind, neun Monate nach der Operation, wieder so groß wie vorher. Alle drei Wochen spritzt mir mein Vater Vitamin B12, weil dieses vom Darm nicht mehr selbst aufgenommen werden kann. Außerdem nehme ich hochdosierte Nahrungsergänzungsmittel zu mir. Bei mir tritt der Ermüdungsprozess auch schneller ein als normalerweise, weil mein Darm die Vitamine nicht mehr zu 100 Prozent aufnehmen kann. Deshalb bekomme ich, weil der Zuckerhaushalt bei mir, ähnlich wie beim Diabetiker, oft im Keller oder zu hoch ist und ich Herzrasen und Kreislaufprobleme bekomme, ein sogenanntes Dumping. Wenn ich unterzuckert bin, nehme ich Traubenzucker oder Süßigkeiten zu mir.
„Ich bin für alles aufgeschlossener.“
Wie würden Sie Ihr Befinden heute beschreiben?
Ich würde sagen: Kopftechnisch sogar noch besser als vor der Operation – weil ich für alles aufgeschlossener bin – für mein Umfeld, für das Leben an sich, meine Mitmenschen. Ich finde es auch wichtig, meine Geschichte zu teilen, weil ich so vielleicht Menschen erreichen kann, die bisher gar nichts von diesem Gendefekt wussten und dann eventuell auch eine zweite Chance bekommen. Körperlich ist es natürlich so, dass mir etwas fehlt. Das kann man auch nicht schönreden, und es wird nie mehr so sein wie vorher. Ich war früher relativ lebendig, war immer einer hohen Belastung ausgesetzt, war ausdauermäßig top und bin dabei trotzdem nicht schnell müde geworden. Heute fällt es mir beim Lernen für mein duales BWL-Studium manchmal schwer, mich zu konzentrieren, weil ich neben dem Vitaminmangel auch einen Eisenmangel habe, den ich nicht zu 100 Prozent beheben kann. Es ist schon anstrengender, zu studieren und so Sport zu machen wie vorher. Aber mein Motto lautet: Geht nicht, gibt’s nicht!
Wer gibt Ihnen am meisten Halt?
Meine Familie, meine beste Freundin, die mich sehr bestärkt und auch mein Sport und die Mannschaft.
Kommen wir zu Ihrem Sport, dem Fußball? Welchen Stellenwert hat dieser in Ihrem Leben?
Fußball war für mich früher mein komplettes Leben. Ich habe für mein Training in der Woche sieben bis acht Mal auf dem Platz gestanden.
„Meine erste Frage: Wann kann ich wieder Fußball spielen?“
Stimmt es, dass Sie es kaum abwarten konnten, nach der OP wieder auf dem Fußballplatz zu stehen, Ihre erste Frage an den Arzt war: Wann kann ich wieder Fußball spielen?
Das war schon beim Vorgespräch mein erstes Thema. Ich habe mein ganzes Leben auf dem Platz verbracht und es wäre undenkbar für mich gewesen, dass damit für alle Zeiten Schluss sein könnte und ich nur noch Zuschauer wäre. Vor dieser Umstellung hatte ich extreme Angst. Die Ärzte konnten mich allerdings wenig beruhigen und haben mir gesagt, dass es bei mir sicher nicht möglich wäre, und nur in seltenen Fällen Leute nach diesem Eingriff sportlich aktiv wären, Leistungssport praktisch unmöglich sei. Angeblich gibt es nur einzelne männliche Ausnahmen in den USA. Das war ein ziemlicher Schock. Aber ich war schon immer sehr ehrgeizig, und wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt habe, habe ich so lange darauf hingearbeitet, bis es auch geklappt hat.
…und tatsächlich standen Sie vier Wochen später wieder auf dem Fußballplatz. Ganz schön riskant!
Ja, ich habe wieder die ersten Übungen mit meiner Mannschaft gemacht und Muskelaufbau und Passübungen gemacht.
Wie ging es Ihnen dabei?
Es ging! Mit der Luft hatte ich noch etwas Probleme, weil die Lunge ja bei der OP angekratzt wurde und ich das Gefühl hatte, als würde ich durch einen Strohhalm atmen. Außerdem hatte ich Schmerzen im Zwerchfell, die bis in die linke Schulter zogen. Ein ähnliches Gefühl wie beim Seitenstechen.
Hut ab, dass Sie trotzdem drangeblieben sind. Heute sind Sie der einzige Mensch in Deutschland, der ohne Magen Leistungssport betreibt.
Soweit ich weiß, ja.
Was sind Ihre beruflichen Ambitionen?
Ich arbeite zurzeit bei der Ursapharm GmbH – einer der weltweit führenden Hersteller in der Ophthalmologie, welcher Arzneimittel, Medizinprodukte und Nahrungsergänzungsmittel herstellt. Das ist gleichzeitig der Sponsor meines Vereins SV Elversberg beziehungsweise SV Göttelborn. Deshalb fände ich es interessant, später Marketing und Vertrieb für einen Verein zu machen, so mein Studium mit dem Fußball zu verbinden. Fußball werde ich nebenher natürlich weiterhin spielen.
„Ich möchte mit meiner Mannschaft in die 2. Liga aufsteigen.“
Seit wann ist Fußball Ihre große Leidenschaft?
Seit meinem zwölften Lebensjahr. Damals war mein Ehrgeiz sogar noch ausgeprägter, da die Chancen ja noch gutstanden, in die Nationalmannschaft zu kommen. Ich war damals auch im Sichtungs- und Kaderlehrgang, habe mich dann aber blöderweise verletzt, sodass der Traum leider vorbei war.
Ich nehme an, es gab auch für Sie eine längere Corona bedingte Pause? Spielen Sie heute wieder regelmäßig Fußball?
Wir bekommen jetzt quasi eine Ausnahmegenehmigung, weil wir demnächst ein Relegationsspiel haben und die Chance besteht, bald in die 2. Bundesliga aufzusteigen.
Geht es Ihnen beim Spiel inzwischen körperlich besser?
Ja und nein. Ich habe immer noch Rückschläge, weil mein Immunsystem ja immer noch nicht voll arbeitet und geschwächt ist. Deshalb bin ich auch anfälliger für Magen-Darm-Infekte oder andere Krankheiten. Nach solchen Rückschlägen muss ich mich jedes Mal wieder herankämpfen, um meine Ausdauer zurückzugewinnen.
Gerade in diesen Zeiten sollten Sie sicherlich besonders vorsichtig sein?
Ja, sicher. Ich muss auch ein gesundes Mittelmaß finden zwischen meinem Studium, meiner Arbeit und dem Fußballspielen. Mein privates Leben kommt dabei schon manchmal etwas zu kurz.
Was sind Ihre Zukunftspläne?
Ich würde gerne an meine alten Leistungen anknüpfen, gerade was körperliche Stabilität, Ausdauer und Schnelligkeit im Fußball betrifft, und zu meiner alten Kondition zurückkommen, um mit meiner Mannschaft in die 2. Liga aufzusteigen.
Ich wünsche Ihnen beruflich und sportlich viel Erfolg. Herzlichen Dank für das Interview.
(RP)

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