Sprache hinterlässt Spuren. In den Köpfen und Gemütern ihrer Rezipienten. Mal wirkt sie erheiternd, mal verbindend, mal manipulierend oder trennend. Ja ganze Gräben kann sie zwischen den Menschen erzeugen, die in wilden Debatten und Konflikten gipfeln können. Eine dieser Debatten lässt sich unter dem Stichwort „Geschlechtergerechte Sprache“ oder „Gendern“ verfolgen. Mittlerweile hört man im Fernsehen immer mehr Moderatoren, die eine kleine Sprechpause an der Stelle des Sternchens bei beispielsweise Zuschauer*innen einfügen, um Männlein, Weiblein, trans und Co. formal-verbal gerecht zu werden. Damit sich JEDER angesprochen fühlt. Da wären wir auch schon beim Schriftzeichen des Sternchens, das die maskuline Form um die feminine ergänzt und somit die Diversität geschlechterspezifischer oder auch -unspezifischer Möglichkeiten widerspiegelt.
Inklusion durch einfache Ansprache
Sprache und Schrift erfüllen auf diese Weise eine Aufzeigerfunktion: Hallo, mich gibt’s auch noch (welchen Geschlechts auch immer). Dies bringt allerdings ein paar Probleme mit sich. Zum einen verwandelt sich ein Text schnell in optische und akustische Hürdenzeilen, die Verständlichkeit und Lesefluss beeinträchtigen. Grammatikalische Schwierigkeiten gibt es etwa bei Kolleg*in, Ärzt*in oder Bauer*in. Die Deutsche Gesellschaft für Sprache hält aus diesem Grund das Gendersternchen und ähnliche Varianten für ungeeignet, wie auch den Gender-Unterstrich, -Punkt, -Doppelpunkt, Binnen-I etc. Eine andere Möglichkeit der geschlechterneutralen Bezeichnung wäre möglicherweise „Mensch mit Uterus, der Kinder gebären (möchte)“, wie Frauen bei den Yoruba, einer traditionellen Volksgruppe in Nigeria, bezeichnet wurden, da es kein Wort für „Frau“ bei ihnen gegeben hat, auch nicht für „Mann“.
Die Kontroversen prallen bei dieser Thematik aufeinander: Gibt es überhaupt Mann und Frau, macht die Unterscheidung zwischen den Geschlechtern überhaupt noch Sinn? Die Wissenschaft ist ohnehin dran, Fortpflanzung jenseits der Geschlechter irgendwann zu ermöglichen, indem Ei- und Samenzellen aus Stammzellen gezüchtet werden. Gebärmütter lassen sich schon jetzt transplantieren. Ob das Geschlechterallerlei in Sprache und Schrift beachtet werden soll oder nicht, ist noch lange nicht ausdiskutiert. Und jeder muss für sich entscheiden, wie tief er darin einsteigt. Wir von ROLLINGPLANET haben uns dafür entschieden, das generische Maskulinum in der Regel erst mal beizubehalten, ohne jemanden, ob hetero, binär, inter, trans, queer etc. pp. auszuschließen. Wir sprechen Menschen an, in einfacher Form, die jede Varianz mit einschließt.
Andererseits haben ROLLINGPLANET-Autorinnen und -Autoren die freie Wahl, ob sie ihre Manuskripte in Gendersprache verfassen – diese behalten wir in solchen Fällen bei.
Für blinde und sehbehinderte Menschen findet das Textverständnis in erster Linie über das Hören statt – bei Texten im Internet kommt deshalb in der überwiegenden Anzahl der Fälle ein sogenannter Screenreader zum Einsatz, der Inhalte vorliest. Hierbei gibt es nun zwei Varianten: Gender-Symbole werden vorgelesen (stört den Vorlesefluss) oder werden unterdrückt (erzeugt eine längere Pause und stört ebenfalls den Vorlesefluss). Diese Problematik beschränkt sich nicht nur auf Texte am Bildschirm. So müssen in der Brailleschrift spezielle Ankündigungszeichen vorangestellt werden, um Sonderzeichen, wie beispielsweise ein Sternchen, schreiben zu können.
Immer öfter wird der Doppelpunkt als „blinden- und sehbehindertengerechtes“ Gender-Symbol bezeichnet, was laut dem Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband e.V. ein Irrtum ist. Hierzu führte die falsche Annahme, dass Screenreader standardmäßig keine Doppelpunkte lesen würden. In der Realität ist die Option bei einem überwiegenden Teil der Blinden und Sehbehinderten aktiviert und führt bei einer Unterdrückung zu einer extra-langen Pause, die auch das Ende eines Satzes ankündigen könnte.
In seiner aktuellen Richtlinie zum Gendern rät der DBSV daher von der Benutzung von Gender-Symbolen ab und empfiehlt neutrale Begriffe, wie beispielsweise „Team“ statt „Mitarbeiter*innen“, zu benutzen.
Reduziert auf eine Behinderung?
Auf ähnliche Weise gehen wir mit Begriffen wie „Behinderter“ um. Auch hier gibt es Debatten über richtige Bezeichnungen, damit sich keiner diskriminiert fühlt. Politisch korrekt ist in diesem Fall: „Mensch mit Behinderung“. Gegenfrage: Ist jemand mit Behinderung normalerweise etwa kein Mensch, sodass man das extra dazusagen muss? Ein Kritikpunkt ist oft, dass „Behinderte“, wenn man sie so bezeichnet und auf den Begriff Mensch verzichtet, auf ihre Behinderung reduziert werden. Andererseits stört sich ein Teil behinderter Menschen keineswegs daran, da sie ihre Behinderung als einen bestimmenden Teil von sich sehen, mit dem sie die Welt wahrnehmen und ihr Leben maßgeblich leben.
Aus all dieser Problematik heraus hat sich ROLLINGPLANET auch an dieser Stelle für einen unkomplizierten Umgang mit Sprache entschieden und schreibt hier und da auch einfach nur von „Behinderten“. Denn selbstverständlich sind wir alle Menschen. Und ist es im Sprachgebrauch nicht auch im nichtbehinderten Umfeld so, dass Spezifitäten herausgepickt werden, um zum Beispiel auf jemanden hinzuweisen? Die Blonde da drüben. Oder der große Typ da. Oder die korpulente Person. Grundsätzlich sollte man sensibel mit Sprache umgehen, wenn von Menschen die Rede ist, aber nicht in verkrampfte, politisch korrekte Korrektive verfallen, die Humor und artikulatorische Freiheit missen lassen. Aber immer voller Respekt und Achtung seinem Gegenüber entgegentreten, ob nun schriftlich oder verbal.
(RP)

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