Connect with us

Sie suchen ein bestimmtes Thema?

Gesellschaft & Politik

Du hast die Wahl: Für eine menschenrechtliche Behindertenpolitik

Selbstbestimmtes Leben im Alltag und in der Gesellschaft – was muss sich ändern? Eine Wahlaktion am Brandenburger Tor provozierte, unterhielt und klärte auf.

Die beiden Rollstuhlfahrer Alexander Ahrens, hier mit Mikrofon, und Sigrid Arnade vor einer nachgebauten Wahlurne am Brandenburger Tor.
Bei der Wahlaktion am Brandenburger Tor: Alexander Ahrens und Sigrid Arnade (Foto: ISL e.V./Franziska Vu)

Mit einer symbolischen Wahlaktion unter dem Motto „Du hast die Wahl: Für eine menschenrechtliche Behindertenpolitik“ hat gestern die Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland e.V. (ISL) gemeinsam mit der LIGA Selbstvertretung auf provokante und unterhaltsame Weise aufgezeigt, wie behindertenpolitisches Handeln auf Bundes- und Kommunalebene gestaltet sein muss, damit behinderte Menschen umfassend in die Gesellschaft inkludiert und als gleichberechtigte und selbstbestimmte Bürger geachtet und behandelt werden.

Die am Brandenburger Tor stattfindende Wahlaktion, an der eine Vielzahl behinderter und nichtbehinderter Menschenrechtsaktivisten sowie neugierige Passanten – angelockt durch provokante Plakate –, teilnahmen, ermunterte Teilnehmer, ihre Stimme „für oder gegen eine menschenrechtliche Behindertenpolitik“ abzugeben. Auf Stimmzetteln fasste die ISL ihre Forderungen an die Politik zusammen und verdeutlichte, dass politisches Handeln sich endlich nicht mehr an Wirtschaftsinteressen orientieren sollte und Barrierefreiheit etwas kosten darf. Slogans wie „Für behinderte Menschen in Medien, Wirtschaft, Politik und Führungspositionen“ motivierten zum Mitwählen und sich mit der Lebensrealität behinderter Menschen auseinanderzusetzen.

Forderungen in Form eines Stimmzettels.

Forderungen in Form eines Stimmzettels. (Foto: ISL e.V./Franziska Vu)

Ein Mann wirft einen Stimmzettel in eine symbolisch vor dem Brandenburger Tor aufgestellte Wahlurne.

Eine von der ISL aufgestellte Wahlurne. (Foto: ISL e.V./Franziska Vu)

Behindertenpolitik als Seismograph

Dr. Sigrid Arnade, Sprecherin der LIGA Selbstvertretung und Sprecherin der ISL für Gender & Diversity, betonte in ihrem Statement:

„Eine Politik, die die Rechte behinderter Menschen ernst nimmt und durch Maßnahmen und Gesetze praktisch umsetzt, ist für alle eine menschenfreundliche und bürgernahe Politik. Jeder Mensch, der am 26. September wählen geht, sollte also genau schauen, welche Partei sich in ihrem Wahlprogramm ambitioniert und mit guten Maßnahmen für die gesellschaftliche Teilhabe behinderter Menschen einsetzt. Behindertenpolitik muss als Seismograph gelten, woran alle Menschen messen können, wie gut es sich in einer Gesellschaft leben kann.“

Ärgernis Deutsche Bahn

In zahlreichen leidenschaftlichen Redebeiträgen betonten behinderte Aktivisten, dass die Politik Menschen mit Behinderungen endlich nicht mehr als kleine Randgruppe wahrnehmen darf und aufgefordert ist, Jahrzehnte währende Missstände endlich abzubauen.

„Es kann nicht sein, dass behinderte Menschen immer noch nicht spontan mit den Zügen der Deutschen Bahn reisen können“,

ärgert sich Alexander Ahrens, Pressesprecher der ISL. Keinem nicht behinderten Geschäftsreisenden würde es zugemutet werden, erst nach 06:30 Uhr mit dem Zug fahren zu dürfen, weil erst dann Personal am Bahnhof verfügbar ist. Hinzu komme, dass die Anmeldung von Assistenz sehr bürokratisch und so detailliert sei, dass behinderte Menschen das Gefühl hätten, Daten über Gewicht, Körpergröße und so weiter preisgeben zu müssen, die niemanden etwas angingen. „Kein nichtbehinderter Mensch würde sich so etwas gefallen lassen müssen,“ empört sich Ahrens.

„Mit dieser Aktion wurden behinderte Menschen und ihre Forderungen sichtbar und hörbar gemacht, denn bisher spielt die menschenrechtliche Perspektive behinderter Menschen im Wahlkampf bei Politik und Medien überhaupt keine Rolle. Die Aktion zeigt ausdrücklich, dass sich das dringend ändern muss“, betonte die ISL, die als menschenrechtsorientierte Selbstvertretungsorganisation und Dachorganisation der Zentren für Selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen nach dem Vorbild der US-amerikanischen „Independent Living Movement“ gegründet wurde.

(RP/PM)

Veröffentlicht auf

ROLLINGPLANET ist seit 2012 Deutschlands Onlinemagazin für Menschen mit Behinderung und alle anderen. ROLLINGPLANET ist ein Non-Profit-Projekt, realisiert vom Verein Menschen, Medien und Inklusion e.V., München. Mehr über unser Team erfahren Sie hier.

Kommentieren

Leave a Reply

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Werbung
Werbung
Werbung

LESETIPPS

Werbung

DAS KÖNNTE SIE AUCH INTERESSIEREN

Gesellschaft & Politik, Alltag, Freizeit, Geld & Recht, Reise & Urlaub

Bei überfüllten Zügen haben Menschen mit Behinderung meist das Nachsehen. Die Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland fordert im Hinblick auf das Deutschlandticket endlich praktikable Lösungen.

Alltag, Freizeit, Geld & Recht, Gesellschaft & Politik

#BarrierenBrechen: Eine Protestaktion am Lüneburger Bahnhof machte auf Barrieren im öffentlichen Verkehr aufmerksam. Sprecherin: „Wir wollen keine Fahrgäste dritter Klasse sein. Wir wollen gleichen Zugang zum öffentlichen Verkehr für alle. So wie es gesetzlich vorgeschrieben ist.“

Gesellschaft & Politik

Im Jahr 2022 investierte die Deutsche Bahn viel Geld, um Bahnhöfe neu zu bauen oder behindertengerecht zu modernisieren. Das teilt die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke mit.

Gesellschaft & Politik

Der am 24. August 2022 vom Bundeskabinett verabschiedete Entwurf zu einem „Triage“-Gesetz verfehlt völlig sein selbst gestecktes Ziel, die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen. Zu dieser Einschätzung kommt das NETZWERK ARTIKEL 3 e.V. und kritisiert, dass die vielen Hinweise und Verbesserungsvorschläge aus den Stellungnahmen und der mündlichen Anhörung nur marginal umgesetzt wurden.