Mit einer symbolischen Wahlaktion unter dem Motto „Du hast die Wahl: Für eine menschenrechtliche Behindertenpolitik“ hat gestern die Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland e.V. (ISL) gemeinsam mit der LIGA Selbstvertretung auf provokante und unterhaltsame Weise aufgezeigt, wie behindertenpolitisches Handeln auf Bundes- und Kommunalebene gestaltet sein muss, damit behinderte Menschen umfassend in die Gesellschaft inkludiert und als gleichberechtigte und selbstbestimmte Bürger geachtet und behandelt werden.
Die am Brandenburger Tor stattfindende Wahlaktion, an der eine Vielzahl behinderter und nichtbehinderter Menschenrechtsaktivisten sowie neugierige Passanten – angelockt durch provokante Plakate –, teilnahmen, ermunterte Teilnehmer, ihre Stimme „für oder gegen eine menschenrechtliche Behindertenpolitik“ abzugeben. Auf Stimmzetteln fasste die ISL ihre Forderungen an die Politik zusammen und verdeutlichte, dass politisches Handeln sich endlich nicht mehr an Wirtschaftsinteressen orientieren sollte und Barrierefreiheit etwas kosten darf. Slogans wie „Für behinderte Menschen in Medien, Wirtschaft, Politik und Führungspositionen“ motivierten zum Mitwählen und sich mit der Lebensrealität behinderter Menschen auseinanderzusetzen.

Forderungen in Form eines Stimmzettels. (Foto: ISL e.V./Franziska Vu)

Eine von der ISL aufgestellte Wahlurne. (Foto: ISL e.V./Franziska Vu)
Behindertenpolitik als Seismograph
Dr. Sigrid Arnade, Sprecherin der LIGA Selbstvertretung und Sprecherin der ISL für Gender & Diversity, betonte in ihrem Statement:
„Eine Politik, die die Rechte behinderter Menschen ernst nimmt und durch Maßnahmen und Gesetze praktisch umsetzt, ist für alle eine menschenfreundliche und bürgernahe Politik. Jeder Mensch, der am 26. September wählen geht, sollte also genau schauen, welche Partei sich in ihrem Wahlprogramm ambitioniert und mit guten Maßnahmen für die gesellschaftliche Teilhabe behinderter Menschen einsetzt. Behindertenpolitik muss als Seismograph gelten, woran alle Menschen messen können, wie gut es sich in einer Gesellschaft leben kann.“
Ärgernis Deutsche Bahn
In zahlreichen leidenschaftlichen Redebeiträgen betonten behinderte Aktivisten, dass die Politik Menschen mit Behinderungen endlich nicht mehr als kleine Randgruppe wahrnehmen darf und aufgefordert ist, Jahrzehnte währende Missstände endlich abzubauen.
„Es kann nicht sein, dass behinderte Menschen immer noch nicht spontan mit den Zügen der Deutschen Bahn reisen können“,
ärgert sich Alexander Ahrens, Pressesprecher der ISL. Keinem nicht behinderten Geschäftsreisenden würde es zugemutet werden, erst nach 06:30 Uhr mit dem Zug fahren zu dürfen, weil erst dann Personal am Bahnhof verfügbar ist. Hinzu komme, dass die Anmeldung von Assistenz sehr bürokratisch und so detailliert sei, dass behinderte Menschen das Gefühl hätten, Daten über Gewicht, Körpergröße und so weiter preisgeben zu müssen, die niemanden etwas angingen. „Kein nichtbehinderter Mensch würde sich so etwas gefallen lassen müssen,“ empört sich Ahrens.
„Mit dieser Aktion wurden behinderte Menschen und ihre Forderungen sichtbar und hörbar gemacht, denn bisher spielt die menschenrechtliche Perspektive behinderter Menschen im Wahlkampf bei Politik und Medien überhaupt keine Rolle. Die Aktion zeigt ausdrücklich, dass sich das dringend ändern muss“, betonte die ISL, die als menschenrechtsorientierte Selbstvertretungsorganisation und Dachorganisation der Zentren für Selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen nach dem Vorbild der US-amerikanischen „Independent Living Movement“ gegründet wurde.
(RP/PM)

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