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Gesellschaft & Politik

Deutschland hat abgestimmt – was bedeutet das für Menschen mit Behinderung?

An ihren Worten wollen wir sie messen: Wir erinnern daran, was die vier möglichen künftigen Regierungsparteien vor der Wahl auf ROLLINGPLANET zum Thema Inklusion versprochen haben.

Wahlstudio des ZDF zur Bundestagswahl.
V.l.n.r.: CSU-Chef Markus Söder, Armin Laschet (CDU), die Moderatoren Rainald Becker und Peter Frey, Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) und Olaf Scholz (SPD) sprechen in einem Wahlstudio des ZDF bei der „Berliner Runde“ über die Bundestagswahl. (Foto: Sebastian Gollnow/dpa)
Bundestagswahl 2021: Vorläufiges Ergebnis

Der Bundeswahlleiter hat am 27. September 2021 um 06:00 Uhr das vorläufige Ergebnis der Wahl zum 20. Deutschen Bundestag am 26. September 2021 bekannt gegeben.

SPD: 25,7 % (2017: 20,5 %)
CDU: 18,9 % (2017: 26,8 %)
Grüne: 14,8 % (2017: 8,9 %)
FDP: 11,5 % (2017: 10,7 %)
AfD: 10,3 % (2017: 12,6 %)
CSU: 5,2 % (2017: 6,2 %)
Die Linke: 4,9 % (2017: 9,2 %)
SSW: 0,1 % (2017: keine Teilnahme)
Sonstige: 8,6 % (2017: 5,0)

Die Wahlbeteiligung betrug 76,6 Prozent (2017: 76,2 Prozent).

Deutschland hat am Sonntag gewählt – wie erwartet kam es zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen SPD und CDU. Jetzt beginnen die Koaltionsverhandlungen. Noch ist nicht bekannt, wer Deutschland künftig regiert. Grüne und FDP werden mit ihren Entscheidungen darüber entscheiden, ob der neue Kanzler Olaf Scholz (SPD) oder Armin Laschet (CDU) heißt.

Die dominierenden Themen im Wahlkampf 2021 waren vor allem der Klimaschutz und dann noch ein wenig die Corona-Pandemie, das Rentensystem und mögliche Steuererhöhungen. Behindertenpolitik spielte diesmal noch weniger als sonst eine Rolle. Umso wichtiger war es ROLLINGPLANET, vor der Wahl von den Parteien zu erfahren, was die knapp sechs Millionen Menschen mit einer Schwerbehinderung – das entspricht 9,5 Prozent der Bevölkerung – in Deutschland erwarten können.

Bekanntlich sind Wahlversprechen schnell vergessen – aus diesem Grund erinnert ROLLINGPLANET bereits jetzt daran, wie sich die vier Parteien, die nun über die neue Regierung verhandeln, auf ROLLINGPLANET zum Thema „Inklusion“ positionierten.

SPD

SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz

Olaf Scholz war Spitzenkandidat der SPD (Foto: IMAGO/photothek)

An unserem Programm haben tausende Menschen mitgearbeitet und zahlreiche Perspektiven eingebracht. Mit den Vertreter*innen der Menschen mit Behinderung und in sehr enger Absprache mit der Arbeitsgemeinschaft Selbst Aktiv – Stimme der Menschen mit Behinderungen in der SPD – haben wir einen Beschluss: für die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen und für Barrierefreiheit erarbeitet. Dieser wurde vom Parteivorstand am 08.05.2021 einstimmig als ein ergänzender Teil des Zukunftsprogramm und als integraler Teil unserer digitalen Programmmatrix angenommen. Dort haben wir die uns besonders wichtigen Themen konkretisiert.

Unsere Ziele sind: die gesellschaftlichen Entwicklungen im Sinne von mehr Demokratisierung und Partizipation zu gestalten und inklusionsfreie Räume weitestgehend zu reduzieren. Das spiegelt sich in konkreten Feldern wie zum Beispiel: Arbeit, Bildung, Wohnen, Mobilität und Sport wider.

Für uns gehört zur Inklusion neben der Teilhabe auch die Mitentscheidung, Mitgestaltung und Mitverantwortung. Wir wollen für Menschen mit Behinderung bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt sowie die Schwerbehindertenvertretungen in den Betrieben und die politische Selbstvertretung stärken. Wir wollen eine individuelle und gezielte Förderung der Menschen mit Behinderung, die sich um politische Ämter bewerben.

Für Teilhabe und ein gutes Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderung ist nicht nur eine analoge, sondern auch eine umfassende digitale Barrierefreiheit notwendig. Ein Besuch eines digitalen Unterrichts oder einer digitalen Sprechstunde beim Arzt muss für alle problemlos möglich sein. Darum kämpfen wir dafür, dass die Barrierefreiheit zum festen Standard in unserer analogen und digitalen Welt wird. Die Barrierefreiheit muss auch im öffentlichen und privaten Raum zum Standard werden. Dabei wollen wir die Kommunen unterstützen und ein Bundesprogramm Barrierefreiheit etablieren. Die Barrierefreiheit muss zudem auch ein fester Bestandteil der Ausbildung aller Entwickler*innen analoger und digitaler Produkte werden. Ein systematisches Bewusstsein für die Situation der Menschen mit Behinderung ist notwendig für die Entwicklung der barrierefreien Produkte.

Wir wollen den inklusiven Arbeitsmarkt weiter ausbauen und die Chancen von Menschen mit Behinderungen auf dem Arbeitsmarkt deutlich verbessern. Hier sind für uns wichtig: Stabilisierung der Beschäftigung, Ausbau der individuellen beruflichen Bildungsmaßnahmen und Verbesserung des Übergangs von der Schule in den Beruf, Ausbau der Förderung für Menschen mit Behinderung beim Übergang von Werkstätten in den allgemeinen Arbeitsmarkt, Erarbeitung eines neuen Entgeltsystems für die Beschäftigten in den Werkstäten für Menschen mit Behinderung und die Beendigung der Lohndiskriminierung.

Wir wollen den Behindertensport bei den Profis und Amateuren deutlich fördern und für Programme zur Bewusstseinsbildung für die Situation der Menschen mit Behinderung im Sport und in der Gesellschaft kämpfen.

CDU/CSU

Armin Laschet am Rednerpult einer Wahlkampfveranstaltung

Armin Laschet war Spitzenkandidat der CDU/CSU (Foto: IMAGO/Eibner)

Menschen mit Behinderungen haben das Recht auf eine barrierefreie Gestaltung ihrer Umwelt, damit sie am alltäglichen Leben in allen Bereichen ganz selbstverständlich teilhaben und sich einbringen können.

Wir wollen erreichen, dass Menschen mit Einschränkungen, ältere Menschen oder zeitweise Erkrankte das tun können, was für alle selbstverständlich ist: den ÖPNV benutzen, einen Geldautomaten aufsuchen oder die Nachrichtensendung verfolgen. Dafür werden wir das Behindertengleichstellungsgesetz weiterentwickeln.

Unser Ziel ist ein inklusiver erster Arbeitsmarkt. Das Potenzial von Fachkräften mit Behinderungen bleibt vielfach noch immer ungenutzt. Gemeinsam mit den Schwerbehindertenvertretungen wollen wir das betriebliche Eingliederungsmanagement stärken so- wie Frühwarnsysteme und effiziente Präventivmaßnahmen ausbauen.

Werkstätten für behinderte Menschen sind wichtig, weil sie dort am Arbeitsleben teilnehmen können. Für ein zukunftsfähiges Entgeltsystem werden wir die Berechnung des Werkstattlohns neu regeln und gleichzeitig die derzeitige Deckelung des Arbeitsförderungsgeldes aufheben. Damit haben die Werkstattbeschäftigten mehr Geld in der Tasche und die Werkstätten werden finanziell entlastet.

Wir setzen uns dafür ein, dass jeder Mensch ein Recht auf digitalen Zugang hat, auch Menschen, die in Einrichtungen leben. Eine barrierefreie Medienvielfalt in Deutschland spielt für uns eine zentrale Rolle. Menschen mit Behinderungen sollen ihr Recht auf informatorische Selbstbestimmung wahrnehmen können.

Bündnis 90/Die Grünen

Annalena Baerbock, Spitzenkandidatin Bündnis 90/Die Grünen

Annalena Baerbock war Spitzenkandidatin von Bündnis 90/Die Grünen (Foto: IMAGO/Chris Emil Janßen)

Wir setzen uns für die Selbstbestimmung und die gleichberechtigte Teilhabe für Menschen mit Behinderungen ein und dafür Hürden im Alltag abzubauen. Hierzu schlagen wir eine ganze Reihe von Maßnahmen vor. Mit einem Barrierefreiheits-Gesetz wollen wir erreichen, dass Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen, auch psychischen Erkrankungen, gleichberechtigt am öffentlichen Leben teilhaben und selbstbestimmt, gemeinsam mit nichtbehinderten Menschen leben, lernen und arbeiten können. Private wie öffentliche Anbieter*innen öffentlich zugänglicher Angebote und Dienstleistungen wollen wir zu umfassender Barrierefreiheit und den Bund innerhalb von zehn Jahren zur Herstellung der Barrierefreiheit seiner Gebäude verpflichten.

Wir wollen außerdem die Städtebauförderung für inklusive Stadtquartiere stärken und die soziale Wohnraumförderung an Barrierefreiheit binden. Im ÖPNV, den alle Menschen mit Schwerbehinderung kosten­frei nutzen sollen können, in öffentlichen Einrichtungen, Ladenge­schäften, Gewerbe- und Bürogebäuden soll Barrierefreiheit zum Standard werden.
Auch im Gesundheitswesen wollen wir mit einem ressortübergreifenden Inklusionsplan Hürden umfassend abbauen, die Gesundheitsleistungen auf die jeweiligen Bedarfe gezielt ausrichten und bürokratische Vorgänge so weit wie möglich reduzieren. Das umfasst auch verpflichtende Vorgaben zur Barrierefreiheit bei der Bedarfsplanung und eine Reform der Heilmittelversorgung.

Zudem wollen wir, dass Leistungen zur Teilhabe in jeder Phase allgemeiner, beruflicher und hochschulischer Bildung gewährt sind. Darüber hinaus wollen wir einen inklusiven Arbeitsmarkt schaffen. Zum einen heißt dies, dass wir Arbeitgeber*innen, die Menschen mit Behinderungen beschäftigen, besser unterstützen. Zum anderen werden wir Selbstvertretungsstrukturen stärken und absichern. Arbeitgeber*innen, die hingegen nicht genügend schwerbehinderte Menschen beschäftigen, sollen eine höhere Ausgleichsabgabe zahlen, die wir in die Förderung inklusiver Beschäftigung investieren werden.

Das heutige Werkstattsystem wollen wir zu einem System von Inklusionsunternehmen weiterentwickeln, in dem Menschen mit Behinderungen über die Inanspruchnahme von bedarfsgerechten Nachteilsausgleichen eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mindestens auf Mindestlohnniveau ermöglicht wird. Wir werden Arbeitnehmer*innen-Rechte sicherstellen und fördern den Wechsel in den allgemeinen Arbeitsmarkt. Die Tagesförderstätten wollen wir in diesen Prozess mit einbeziehen. Das Budget für Arbeit werden wir ausbauen und Menschen, die es nutzen, in der Arbeitslosenversicherung absichern. Auszubildende und Studierende mit Behinderung erhalten bei Auslandsaufenthalten ein Budget zur Deckung ihrer Bedarfe, das den Leistungen entspricht, die sie im Inland erhalten. Unser Ziel ist es, das Bundesteilhabegesetz weiterzuentwickeln und Teilhabe zu garantieren – kein Poolen von Leistungen gegen den Willen der Betroffenen, echtes Wunsch- und Wahlrecht, Leistungen unabhängig vom Einkommen und Vermögen der Leistungsberechtigten und ein Bundesteilhabegeld.

FDP

FDP-Spitzenkandidat Christian Lindner

Christian Lindner war Spitzenkandidat der FDP (Foto: IMAGO/Marc John)

Barrierefreiheit im öffentlichen Raum. Wir Freie Demokraten fordern die vollständige und umfassende Barrierefreiheit im öffentlichen Raum.

Freie Wahl beim Wohnen. Wir Freie Demokraten wollen Wahlfreiheit für Menschen mit Behinderungen. Unabhängig von der Wohnform und vom Wohnort sollen sie Anspruch auf alle Leistungen aus der Sozialversicherung haben. Damit jeder selbst über seine Angebote bestimmen kann, wollen wir das persönliche Budget einfach und unbürokratisch nutzbar machen.

Ersten Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderungen öffnen. Wir Freie Demokraten wollen eine bessere Beratung und Arbeitsvermittlung für Menschen mit Behinderungen. Die Vorbereitung muss bereits in der Schule beginnen. Wir wollen die praxistauglichere Ausgestaltung des Budgets für Arbeit und eine praxisnahe aktive Arbeitsvermittlung und Begleitung.

Diversity Management in der Arbeitswelt. Wir Freie Demokraten wollen in der Arbeitswelt ein ganzheitliches Diversity Management als Teil ökonomischer Modernisierung und sinnvolle Alternative zu Quoten voranbringen. So schaffen wir gleiche Chancen für Aufstieg durch Leistung – unabhängig von Geschlecht, Alter, ethnischer Herkunft, Behinderung, sexueller Orientierung oder Religion. Gerade der Mittelstand soll bei der Entwicklung von Konzepten unterstützt werden. Im öffentlichen Dienst sind die Strukturen der Gleichstellungs- und Behindertenbeauftragten in ein ganzheitliches Diversity Management einzubinden.

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ROLLINGPLANET ist seit 2012 Deutschlands Onlinemagazin für Menschen mit Behinderung und alle anderen. ROLLINGPLANET ist ein Non-Profit-Projekt, realisiert vom Verein Menschen, Medien und Inklusion e.V., München. Mehr über unser Team erfahren Sie hier.

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