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Gesundheit & Medizin

Bluttest auf Down-Syndrom: Informationsbroschüre wird Pflicht

Die Untersuchung des ungeborenen Kindes auf Trisomie 21 als Kassenleistung soll 2022 kommen. Bundesausschussvorsitzender Hecken nennt diese fragwürdige Auslese „rational und medizinisch richtig“.

Frau überprüft Blutproben im Labor.
Ab 2022 soll Schwangeren ein Bluttest auf Trisomie 21 als Kassenleistung zur Verfügung stehen. (Symbolfoto: Shutterstock)

Für künftig mögliche Bluttests bei Schwangeren auf ein Down-Syndrom des Kindes auf Kassenkosten gibt es nun auch eine verpflichtende Informationsbroschüre. Der Gemeinsame Bundesausschuss von Ärzten, Krankenkassen und Kliniken beschloss am Donnerstag eine „Versicherteninformation“, die als fester Bestandteil der ärztlichen Aufklärung und Beratung eingesetzt werden soll.

Das oberste Gremium des Gesundheitswesens hatte bereits 2019 entschieden, dass die Tests unter engen Voraussetzungen „in begründeten Einzelfällen“ für Frauen mit Risikoschwangerschaften von den Krankenkassen bezahlt werden können. Dies soll nun zusammen mit der neuen Broschüre voraussichtlich ab Frühjahr 2022 möglich sein.

Die Versicherteninformation weist den Angaben zufolge darauf hin, dass die Untersuchungen freiwillig sind. Es wird erklärt, was und wie häufig Trisomien sind, was bei dem Test gemacht wird und wie die Ergebnisse zu verstehen sind. Bei einem Down-Syndrom haben Menschen in jeder Zelle ein Chromosom mehr als andere. Das Chromosom 21 ist dreifach vorhanden, daher die Bezeichnung Trisomie 21. Folgen sind körperliche Auffälligkeiten und eine verlangsamte motorische, geistige und sprachliche Entwicklung. Ausprägungen sind aber sehr unterschiedlich.

Bundesausschussvorsitzender verteidigt Entscheidung

Seit 2012 werden Schwangeren Bluttests auf eigene Kosten angeboten, mit denen unter anderem untersucht wird, ob das Kind mit Down-Syndrom auf die Welt käme. Sie gelten als risikolos im Vergleich zu den seit mehr als 30 Jahren üblichen Fruchtwasseruntersuchungen, die bereits Kassenleistung sind.

Der Vorsitzende Josef Hecken sagte, dem Bundesausschuss sei bewusst, dass die Entscheidung nicht in allen gesellschaftlichen Gruppen auf ungeteilte Zustimmung stoßen werde. Es sei rational wie medizinisch aber richtig, jenen Schwangeren eine sichere Alternative anzubieten, denen das Wissen um eine Trisomie persönlich wichtig sei.

Laute Proteste aus Politik und Zivilgesellschaft

Das Bündnis #NoNIPT kritisiert, dass durch die Kassenzulassung der Erwartungsdruck auf die werdenden Eltern zunimmt, bei ihrem werdenden Kind nach dem Down-Syndrom zu suchen. Ebenso wie der Rechtfertigungsdruck auf Eltern steigt, die trotz NIPT ein Kind mit Behinderung bekommen haben.

„Wir halten das Verfahren und diesen Beschluss für eine richtungsweisende Fehlentscheidung. Die Solidargemeinschaft der Versicherten wird künftig einen Test ohne medizinischen Nutzen finanzieren. Der NIPT kann nichts heilen. Er kann nur eine Aussage darüber machen, ob das werdende Kind wahrscheinlich eine Trisomie hat oder nicht. Dass die Krankenkassen einen solchen Test finanzieren, sendet eine fatale Botschaft an die werdenden Eltern: Kinder mit Down-Syndrom können vermieden werden und die Solidargemeinschaft unterstützt dies!“,

so Taleo Stüwe vom Gen-ethischen Netzwerk.

Die behindertenpolitische Sprecherin der Grünen, Corinna Rüffer, hält den Beschluss des G-BA für falsch. Die Kassenübernahme fördere keine unbeschwerte Schwangerschaft, sondern steigere die Erwartungshaltung, ein gesundes Kind zu bekommen. Ebenfalls kritisiert die Politikerin, dass es keine Auseinandersetzung mit der ethischen Dimension gab:

„Wollen wir ein Gesundheitssystem, dass Leistungen zahlt, die der Selektion dienen? Wollen wir in einer Gesellschaft leben, in der Kinder vorgeburtlich nach Behinderung und Gesundheit aussortiert werden?“

(RP/dpa)

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