Connect with us

Sie suchen ein bestimmtes Thema?

Reise & Urlaub

Berliner Behindertenverband: Lufthansa betreibt „Hardcorediskriminierung“

Das Unternehmen verweigerte einer Rollstuhlfahrerin die Mitnahme auf einem Flug – die Nacht musste sie daher in einem nicht-barrierefreien Hotelzimmer verbringen. Wie die Airline auf Kritik reagiert.

Lufthansa-Maschine am Airport
(Symbolfoto: Shutterstock)

Das rbb-Verbrauchermagazin SUPER.MARKT berichtete über den Fall einer Zuschauerin, die trotz aller rechtzeitig eingereichten Formulare am Flughafen Frankfurt abgewiesen wurde. Grund sei der mit Lithium-Ionen-Batterien betriebene Rollstuhl. Dafür lagen der Lufthansa jedoch alle notwendigen Genehmigungen des Herstellers vor. (Die Batterien wurden extra so konstruiert, dass es nicht zu einer Explosionsgefahr wie bei fest verbauten Akkus in Laptops oder Handys kommen und der Rollstuhl im Frachtraum transportiert werden kann.) Außerdem wirbt die Airline auf ihrer Homepage damit, „(…) Fluggästen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind vor, während und nach dem Flug besondere Services“ anzubieten.

Andrea Schatz fühlt sich gedemütigt.

„Diese Hilflosigkeit und Willkür auszuhalten war schlimm. Ich weiß, was man alles an Papieren beibringen muss. Ich war fassungslos, dass das alles negiert wurde.“

Die Frau mit einer schweren Muskelschwäche wurde stattdessen vom Bodenpersonal in einem Hotelzimmer untergebracht, das nicht behindertengerecht war. Sie konnte in der ganzen Nacht weder die Toilette noch die Dusche oder das Waschbecken nutzen.

Andrea Schatz am Flughafen

Andrea Schatz wurde die Beförderung durch die Lufthansa verweigert. (Foto: rbb)

Rollstuhlfahrer als „Störfaktor“

Kein Einzelfall, weiß auch Dominik Peter vom Behindertenverband Berlin. Er ist selber Reisejournalist und Rollstuhlfahrer und kritisiert, dass Hilfeleistungen für Menschen mit Behinderung in den Augen einer Fluggesellschaft wie ein „Störfaktor“ behandelt würden. Er fordert im rbb: „Wir müssen zu einer Ehrlichkeit zurückkommen und sagen, wo hakt es, wo müssen wir besser werden, wo brauchen wir mehr Hilfeleistung oder mehr Personal.“ Den Fall der betroffenen Zuschauerin findet er extrem empörend: „Das ist – man muss es wirklich sagen – eine Hardcorediskriminierung. Die Frau hat ja dreimal vorher schon erfolgreich eingecheckt und das ist ein Pilot, der nicht weiß, was er tut.“

Erst einen Tag später, mit einem anderen Kapitän, darf Schatz doch ins Flugzeug und nach Hause fliegen. Mit über 18 Stunden Verspätung erreicht sie ihr schließlich Berlin. Auf die Beschwerde der Kundin reagiert die Airline zunächst gar nicht, erst nach mehrmaligem Nachhaken des rbb-Verbrauchermagazins gibt es eine Erklärung der Pressestelle:

„Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft und persönliche Zuwendung sind zentrale Bestandteile der Philosophie von Lufthansa. (…) Wir stimmen Ihnen völlig zu: Das darf nicht geschehen.“

Außerdem heißt es

„Es wurden alle zuständigen Abteilungen und Leiter über das unglückliche Geschehen informiert, um einen weiteren Vorfall zu vermeiden.“

Auf das konkrete Anliegen der Kundin geht Lufthansa jedoch gar nicht ein, stellt lediglich die gesetzlich ohnehin festgelegte Entschädigung für eine Verspätung in Aussicht. Damit will sich Schatz nicht abfinden. Sie ist empört, auch weil die Lufthansa erst reagiert, nachdem sie den Fall öffentlich gemacht hat. Die Passagierin erwartet eine deutlich höhere Entschädigung und hat die Anti-Diskriminierungsstelle des Bundes eingeschaltet. Ihrer Ansicht nach liegt hier ein klarer Fall von Benachteiligung vor, nur weil sie im Rollstuhl sitzt.

Den vollständigen Fernsehbeitrag finden Sie hier: rbb Mediathek

(RP/PM)

Veröffentlicht auf

ROLLINGPLANET ist seit 2012 Deutschlands Onlinemagazin für Menschen mit Behinderung und alle anderen. ROLLINGPLANET ist ein Non-Profit-Projekt, realisiert vom Verein Menschen, Medien und Inklusion e.V., München. Mehr über unser Team erfahren Sie hier.

1 Kommentar

1 Comment

  1. C. Broszies

    30. August 2022 um 8:55

    Ähnliche Fälle werden auch aus anderen Ländern gemeldet, z.B. Brasilien. Dort wurde dem Theaterregisseur Mauricio Peroni nach eigenen Angaben am 23.8.22 der Flug von Sao Paulo nach Frankfurt in letzter Minute verweigert, obwohl sein Rollstuhl zuvor angemeldet wurde.
    https://www.acessa.com/noticias/2022/08/4323-diretor-de-teatro-diz-que-foi-impedido-de-embarcar-em-voo-da-lufthansa-por-ser-cadeirante.html

Leave a Reply

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Werbung
Werbung
Werbung

LESETIPPS

Werbung

DAS KÖNNTE SIE AUCH INTERESSIEREN

Gesellschaft & Politik

Die Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland e.V. will bundesweit mit Experten die wesentlichen Problemstellen identifizieren und zum Enpowerment beitragen.

Technik & Technologien

Mit Blick auf immer mehr Nutzer mit erhöhtem Gewicht hat der Spezialist aus dem badenwürttembergischen Malsch das Produktportfolio in diese Richtung erweitert.

Kultur & Lifestyle

Das mixed-abled-Projekt will körperliche Unterschiede sichtbar und produktiv machen. ROLLINGPLANET-Redakteurin Anke Sieker sprach mit Alexandra Morales über Diversität, individuelle Grenzen und Nacktheit auf der Bühne.

Technik & Technologien

Für seine herausragende Designqualität verlieh die Jury den ultraleichten Starrrahmenrollstuhl beim internationalen Design-Wettbewerb für Produktdesign den begehrten Preis.