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Behindertenreisen – eine Art Ghettoisierung?

Es gibt Reiseveranstalter, die auf Behindertenreisen mit Betreuung spezialisiert sind. Aber wo bleibt da der Inklusionsgedanke? Von ROLLINGPLANET-Kolumnist Lorenzo Mayer.

ROLLINGPLANET-Kolumnist Lorenzo Mayer
ROLLINGPLANET-Kolumnist Lorenzo Mayer (Foto: privat)
Unsere Kolumnisten schreiben unabhängig von ROLLINGPLANET. Ihre Meinung kann, muss aber nicht die der Redaktion sein.

Ich finde es grundsätzlich ok, dass es solche Angebote gibt. Und ich mache bald auch mal eine solche Reise mit, wenn es wieder geht. Für viele von uns ist dies die einzige Möglichkeit, ohne Eltern oder überhaupt zu verreisen.

Aber es müsste auch Angebote mit Inklusion geben. Auf jeden Fall habe ich solche bisher nicht gefunden. Ich denke ja, dass eine Reise ausschließlich von Behinderten eigentlich so eine Art von Ghettoisierung ist. Wenn wir Behinderte Inklusion ernsthaft möchten, sollten wir doch nicht nur unter uns sein, sondern auch mit Nichtbehinderten – oder nicht? Unsere Reisebetreuer nehme ich jetzt ausdrücklich da raus. Ich denke hier an Personen, die in unserem Alter sind, keine Lust haben, allein zu verreisen und trotzdem etwas Soziales machen möchten. Das wäre doch mal wirklich Inklusion. Vielleicht können wir dann zeigen, dass wir genauso cool und keineswegs nur hilfsbedürftig sind. Im günstigsten Fall entstehen sogar neue Freundschaften.

Ich halte eine gemischte Gruppe für das Beste. Also halb und halb. Nichtbehinderte und wir mit verschiedenen Behinderungen. Das wäre für mich eine richtige Inklusion.

Eine gemischte Gruppe wirkt nicht so abschreckend

Als gemischte Gruppe würden wir zusätzlich auf der Straße oder im Museum nicht so abschreckend wirken, glaube ich. Eine Gruppe mit 15 Rollstühlen wirkt aber abschreckend. Das weiß ich aus eigenen Erfahrungen. Ich habe mit meiner früheren Schulklasse öfters Ausflüge und Klassenfahrten gemacht. Wir hatten zwar keine 15 Rollstühle, aber wir waren trotzdem auffällig und befremdlich. Mit einer gemischten Gruppe wäre das auf jeden Fall anders gewesen, behaupte ich mal.

Außerdem habe ich in den 90ern öfters mit einer Cousine zusammen Urlaub gemacht. Wir waren entweder mit einer Kirchenferienfreizeit-Gruppe oder mit ihrer Pfadfinder-Gruppe unterwegs. Mit der Ferienfreizeit waren wir auf Mallorca, in der Nähe von Thessaloniki in Griechenland und in der Nähe von Bordeaux in Südfrankreich. Da war ich der einzige „Behinderte“ und die Inklusion klappte gut. Da habe ich auch neue Freundschaften gefunden und war der „Star“ beim Fußballspiel. So eine Inklusion sollte heutzutage erst recht möglich sein, oder?

Ich möchte noch so vieles sehen auf der Welt

Diese Reisen sind mindestens 20 Jahre her, und seitdem hat die Inklusion sich auch weiterentwickelt. Aber wohl immer noch nicht genug. Das muss sich unbedingt noch ändern.

Ich würde gerne noch mal in die USA reisen und New York City, Kalifornien, Oregon und Nevada besuchen. 2008 war ich in New York City eine Woche mit meinem Vater unterwegs, das war ein absolutes Highlight. Mit meinen Eltern und einem Onkel samt Familie bereiste ich 1993 Kalifornien, Oregon und Nevada – ein tolles Erlebnis. Aber nicht nur dahin möchte ich mal wieder, sondern auch mal die ganze Ost- und Westküste, die Rocky Mountains, Chicago und den Süden der USA bereisen.

Kanada wäre aber auch noch ein Traum von mir. Und in Europa gibt es ebenfalls lockende Reiseziele: Madrid, Barcelona, Sevilla oder Saragossa in Spanien; Rom, Mailand, Turin oder Neapel. Oder Athen, dort war ich immer nur am Flughafen oder am Hafen, wenn ich mit meinen Eltern weiter nach Kreta geflogen beziehungsweise mit dem Schiff gefahren bin. Auch möchte ich wieder nach Paris, wo ich im Dezember 2014 mit meinen Eltern war. Eine tolle Stadt! Ich liebe Frankreich. Auch in Skandinavien möchte ich gerne wieder Urlaub machen. Als 13-Jähriger war ich mal in Norwegen mit meiner Klasse. Dorthin möchte ich unbedingt noch einmal.

Also wie ihr seht, für mich gäbe es noch genug Ziele, wohin ich verreisen möchte. Und am schönsten wären solche Reisen für mich in einer gemischten Gruppe. Ich werde jetzt bei Reiseveranstaltern mal nachfragen, ob sie bereit sind, solche Inklusionstrips zu organisieren.

Lorenz(o) Mayer (45) kommt aus Alveslohe in Schleswig-Holstein, ist teilweise spastisch gelähmt und kann nicht sprechen. Auf seinem Blog Lorenzos Welt schreibt er über die allgemeinen Dinge der Welt und setzt sich für Inklusion und Barrierefreiheit ein.

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