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Gesellschaft & Politik

Behindertenbeauftragter der Bundesregierung: „Demokratie braucht Inklusion“

Schon vor der Pandemie fanden Menschen mit Behinderungen oft nur schwer einen Job. Jetzt ist es noch schlimmer, meinen Experten. Doch nicht nur da müsse Deutschland besser werden, sagt Jürgen Dusel.

Jürgen Dusel, Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, beantwortet in der Bundespressekonferenz Fragen von Journalisten. (Foto: Wolfgang Kumm/dpa)
Jürgen Dusel, Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, beantwortet in der Bundespressekonferenz Fragen von Journalisten. (Foto: Wolfgang Kumm/dpa)

Während der Corona-Pandemie hat sich die Jobsituation von Menschen mit Behinderung nach Ansicht des Behindertenbeauftragten der Bundesregierung deutlich verschlechtert. Aktuell gebe es in Deutschland mehr als 170.000 Schwerbehinderte ohne Beschäftigung, sagte Jürgen Dusel am Dienstag in Berlin. Er forderte deshalb intensive Bemühungen, die Menschen in das Arbeitsleben einzubinden. Auch in Mobilitätsfragen sei Deutschland noch lange nicht barrierefrei.

„Demokratie braucht Inklusion“, mahnte Dusel eindringlich und rief zu schnelleren Fortschritten in der öffentlichen Teilhabe von Menschen mit Behinderung auf. „Es ist aus meiner Sicht nicht nur eine Frage von Fürsorge und Nettigkeit“, sagte Dusel, der blind ist. „Es geht letztlich um die Umsetzung fundamentaler Grundrechte.“

Dusel fordert höhere Ausgleichsabgaben

Im Arbeitsleben seien Menschen mit Behinderung auch in normalen Zeiten deutlich häufiger und länger arbeitslos als andere Menschen – und das obwohl schwerbehinderte Erwerbslose im Schnitt sogar besser qualifiziert seien als Arbeitslose ohne Beeinträchtigung.

„Von der Erholung des Arbeitsmarktes nach der Pandemie werden vor allem Menschen mit Schwerbehinderung erst ganz zum Schluss profitieren“, mahnte Dusel. Er fordert daher unter anderem höhere Ausgleichsabgaben für Unternehmen, die keine Menschen mit Behinderung beschäftigen.

Der Gesetzgeber schreibt Unternehmen ab einer bestimmten Größe vor, mindestens fünf Prozent der Arbeitsplätze mit Menschen mit Behinderung zu besetzen. „Es gibt keinen Arbeitsplatz in Deutschland, der nicht durch einen Schwerbehinderten besetzt werden kann, wenn die Voraussetzungen stimmen“, sagte Dusel.

DGB fordert kurzfristiges Arbeitsmarktprogramm

Anja Piel, Vorstandsmitglied beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), stimmte zu: „Die Corona-Pandemie ist für schwerbehinderte Menschen, was Arbeit und Beschäftigung betrifft, katastrophal.“ Der DGB fordere daher ein kurzfristiges Arbeitsmarktprogramm für schwerbehinderte Menschen, das die negativen Corona-Effekte abfängt.

Auch im öffentlichen Nahverkehr sowie im Fernverkehr gibt es laut Dusel noch viel zu tun. Menschen mit Behinderung seien in Bus, Bahn und Zug immer noch häufig sehr eingeschränkt. Schon ein nicht funktionierender Fahrstuhl am Bahnhof könne Menschen mit Behinderung stark einschränken. Während ein nicht-behinderter Reisender seine Koffer notfalls die Treppe hochziehen könne, sei etwa ein Rollstuhlfahrer ohne Aufzug oft aufgeschmissen.

Dusel drängte hier auf schnelle Fortschritte: „Wenn wir sozusagen mit dem gleichen Tempo weitermachen, unsere Bahnhöfe zu ertüchtigen, wird es noch 30 Jahre brauchen bis der letzte Bahnhof barrierefrei ist.“

(RP/dpa)

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ROLLINGPLANET ist seit 2012 Deutschlands Onlinemagazin für Menschen mit Behinderung und alle anderen. ROLLINGPLANET ist ein Non-Profit-Projekt, realisiert vom Verein Menschen, Medien und Inklusion e.V., München. Mehr über unser Team erfahren Sie hier.

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