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„Behinderte Menschen in der Ukraine nicht vergessen!“

Die Internationale Behindertenallianz (IDA) und das Bochumer Zentrum für Disability Studies (BODYS) weisen auf die im Krieg besonders schwierige Situation von Menschen mit Behinderung hin.

Menschen haben sich in die Kiewer U-Bahn geflüchtet, die sie als Luftschutzbunker nutzen. (Foto: Efrem Lukatsky/AP/dpa)
Menschen haben sich in die Kiewer U-Bahn geflüchtet, die sie als Luftschutzbunker nutzen. (Foto: Efrem Lukatsky/AP/dpa)

„Krieg untergräbt das Leben, die Gesundheit und die Sicherheit aller Menschen, aber für die rund drei Millionen Menschen mit Behinderungen und ihre Familien, die in der Ukraine leben, ist die Situation noch viel schlimmer. Als Mensch mit Behinderung, der sich seit vielen Jahren für die Rechte von Flüchtlingen mit Behinderungen einsetzt, bin ich zutiefst besorgt über meine Schwestern und Brüder in der Ukraine, die mit zahlreichen Hindernissen konfrontiert sind, wenn es um den Zugang zu sicherer Evakuierung und humanitärer Hilfe geht“, sagte Yannis Vardakastanis, Präsident der Internationalen Behindertenallianz (IDA) und des Europäischen Behindertenforums (EDF), laut einer Mitteilung.

Diesem Aufruf schließt sich Prof. Dr. Theresia Degener, Leiterin von BODYS, dem Bochumer Zentrum für Disability Studies an:

„Der Krieg führt zu schlimmen Menschenrechtsverletzungen, auch für die Rechte von behinderten Menschen, und muss sofort beendet werden. In der Zwischenzeit müssen alle beteiligten Parteien ihre internationalen Verpflichtungen zur Gewährleistung des Schutzes und der Sicherheit von behinderten Menschen in vollem Umfang einhalten.“

Dies gelte insbesondere für Artikel 11 UN Behindertenrechtskonvention, die sowohl von Russland als auch von der Ukraine ratifiziert wurde, sowie für die Resolution 2475 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, die eindeutige, nicht abdingbare Verpflichtungen zur Gewährleistung des gleichen Schutzes und der Sicherheit für alle Menschen mit Behinderungen sowie des rechtzeitigen und ungehinderten Zugangs zu humanitärer Hilfe vorsieht.

Viele Notunterkünfte nicht barrierefrei

Alle humanitären Akteure, einschließlich der staatlichen Akteure und der Europäischen Union (EU), die aktiv an der Bereitstellung von Hilfe für die Ukraine beteiligt sind, müssten nun die Einhaltung internationaler humanitärer Standards – einschließlich der IASC-Leitlinien zur Einbeziehung von Menschen mit Behinderungen in humanitäre Maßnahmen – sicherstellen.

„Alle internationalen Beschlüsse, Resolutionen oder Maßnahmen, die zur Bewältigung der Situation in der Ukraine verabschiedet werden, müssen behinderte Menschen einbeziehen und ihre Beteiligung an Entscheidungen, die sie betreffen, erleichtern“, betont Prof. Dr. Theresia Degener, Leiterin von BODYS. „Uns liegen Berichte aus der Ukraine vor, nach denen die Notunterkünfte in Kiew nicht barrierefrei sind. Behinderte Menschen sind daher gezwungen, zu Hause zu bleiben.“

Wie IDA berichtet, ist es für viele behinderte Menschen nicht möglich, sich in Sicherheit zu begeben. Die Evakuierungspläne sind oft nicht barrierefrei gestaltet. Menschen mit Behinderungen können U-Bahn-Stationen und Bunker nicht erreichen. In vielen Fällen sind Notunterkünfte für Rollstuhlfahrer unzugänglich und unübersichtlich. Informationen über die Evakuierung in Notfällen, die Lage der Notunterkünfte und die Möglichkeiten, Hilfe zu suchen, werden nicht barrierearm bereitgestellt.

3 Millionen Menschen mit Behinderung in der Ukraine

Deshalb wissen viele Blinde und Sehbehinderte, Gehörlose und Schwerhörige sowie Taubblinde nicht, wie sie die begrenzten Sicherheits- und Hilfsangebote nutzen können. Das Ausmaß der Stigmatisierung und Ignoranz gegenüber Menschen mit Lernschwierigkeiten und Menschen mit psychosozialen Behinderungen nehme während eines Konflikts zu, wodurch sie einem höheren Risiko ausgesetzt seien, bei Evakuierungen zurückgelassen zu werden und Gewalt und Missbrauch zu erfahren.

Es gebe Gruppen, die einem zusätzlichen Risiko ausgesetzt sind. Frauen und Mädchen, Kinder und ältere Menschen mit Behinderungen sowie Menschen, die vor den jüngsten Ereignissen innerhalb des Landes vertrieben wurden, sehen sich mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert, die durch den Konflikt noch verschärft werden. Tausende von Kindern und Erwachsenen mit Behinderungen sind außerdem in Einrichtungen gefangen und laufen Gefahr, verlassen oder schwer vernachlässigt zu werden.

Die Invasion hat zu einer raschen internationalen Verurteilung geführt, und der Ukraine wurden Unterstützung und Hilfe zugesagt. Es sei von entscheidender Bedeutung, dass die Rechte und Bedürfnisse der knapp drei Millionen behinderten Personen in der Ukraine in diese Maßnahmen einbezogen werden. Alle an der Bereitstellung von Hilfe und Unterstützung für Zivilisten in Konfliktgebieten beteiligten Parteien müssen die Bedürfnisse von behinderten Menschen verstehen und berücksichtigen. Das Europäische Behindertenforum hat dazu wichtige Quellen und Handreichungen zusammengestellt.

„Menschenrechte und internationale humanitäre Standards sind gerade in Kriegszeiten die wichtigsten Anker für Menschlichkeit und Solidarität. Es kommt nun darauf an, die vorhandenen robusten internationalen Standards auch inklusiv umzusetzen,“ sagte Prof. Degener.

(RP/PM)

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